Der Leuchtturm von Alexandria
mir einen gotischen Ehemann verpassen, der mich an die Kandare nimmt und sicherstellt, daß ich nicht fortlaufe. Was ist passiert? Sind römische Verstärkungen eingetroffen?«
Sie zuckte zusammen, dann nickte sie unglücklich. »Mehrere Legionen aus Armenien marschieren von Konstantinopel aus nach Thrazien. Außerdem gibt es Gerüchte, daß auch Truppen aus Gallien hierher unterwegs sind.«
»Dann möchte Frithigern mich also fest an die Goten binden, bevor sie hier sind. Also gut, richte ihm aus, ich würde mich eher aus freien Stücken dazu bereit erklären hierzubleiben, als wenn ich durch eine Ehe dazu gezwungen werde.«
Amalberga seufzte. »Ich dachte, Edico wäre eine gute Partie. Ihr seid beide ausgezeichnete Ärzte. Er respektiert dein Urteil und würde sich nicht in deine Angelegenheiten einmischen.«
Ich sah sie an. »Dann war das Ganze also deine Idee?« Sie nickte. »Mein Gemahl sagte, er wolle dich mit einem seiner Gefolgsleute verheiraten, deshalb schlug ich deinen Kollegen vor. Meine Liebe, du wirst jemanden heiraten müssen. Dann kann es doch auch ebensogut Edico sein.«
»Ich werde niemanden heiraten! Ich schwöre bei der heiligen Dreifaltigkeit, daß ich die erste Möglichkeit ergreife, fortzulaufen, falls ihr mich dazu zwingt, in das Bett irgendeines Mannes zu steigen. Ihr werdet mir nicht mehr trauen können, und ich werde euch nichts mehr nützen.«
Sie sah mich nachdenklich an. »Warum spielt diese Frage eine so große Rolle für dich? Eine Ehe ist doch nicht etwas so Schreckliches. Oder hast du ganz einfach Angst, einen Goten zu heiraten?«
Ich wollte Amalberga irgendeine Lüge auftischen, dann entschloß ich mich aber, die Wahrheit zu sagen: Die Wahrheit war ihr gegenüber immer noch das beste. »Ich will überhaupt niemanden heiraten, vor allem aber keinen Goten. Ich bin Römerin, ich stamme aus Ephesus und bin im Museum von Alexandria ausgebildet! Ich bin niemandes Sklavin. Ich bin nicht freiwillig hergekommen; ihr habt mich gefangengenommen. Nun gut, jetzt bin ich hier, ich habe das beste daraus gemacht und euch, wie du weißt, einige Dienste geleistet. Du hast gesagt, das früher begangene Unrecht täte dir leid. Mach es nicht noch schlimmer, indem du mich gegen meinen Willen verheiratest.«
»Gibt es einen anderen Mann?« fragte sie.
»Andere Männer haben nichts damit zu tun! Du und Frithigern, ihr könnt nicht einfach über mich verfügen, und ich werde auch sonst niemandem gehören.«
Amalberga seufzte und hob beruhigend ihre Hände. »Es ist spät«, sagte sie. »Lassen wir es im Augenblick dabei bewenden.
Ich verspreche, dir keine Ehe aufzuzwingen, die du verabscheust. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, daß du bald heiraten solltest, jemanden, den du respektieren kannst. Sonst wird mein Gemahl dich mit einem seiner Gefährten verheiraten, der nichts von Medizin versteht und sich auch nicht dafür interessiert.«
»Dann laufe ich fort«, sagte ich. »Hör zu: Ich habe mich bisher in mein Schicksal ergeben und bin hiergeblieben. Mich treibt im Augenblick nichts zu den Römern zurück. Ich wäre sogar bereit, einen Eid zu schwören, hierzubleiben, falls Frithigern glaubt, er könne mich nicht genug an sich fesseln, indem er mir erlaubt, die Heilkunst auszuüben. Aber ich werde nicht auf seinen Befehl hin heiraten. Wen auch immer er auswählt, der Betreffende wird mich vergewaltigen müssen. Und ich möchte nicht dafür garantieren, was ich hinterher tue.«
Amalberga seufzte erneut. »Ich werde mit meinem Gemahl sprechen«, versprach sie. »Und wir werden abwarten, was die Römer tun.«
18
Die römischen Legionen aus Armenien, die von Konstantinopel herbeimarschiert kamen, wurden im Süden Thraziens stationiert. In den südlichen Provinzen hatten sie eine ganze Anzahl heftiger Zusammenstöße mit gotischen Truppen und zwangen Frithigerns Soldaten, die immer wieder Beutezüge unternahmen, sich in den Norden zurückzuziehen. Doch die Römer waren auch nicht annähernd stark genug, um der gesamten gotischen Armee entgegentreten zu können, und so richteten sie sich in Hadrianopolis ein und warteten auf Verstärkungen aus dem Westen. Doch diese kamen nur langsam voran. Die gesamte Rhein-Donau-Front war von Unruhen erschüttert: Es gab dort keinen Ort, wo in den vergangenen fünfzehn Jahren nicht irgendwann ein Krieg stattgefunden hatte, und es war schwierig, aus einer Provinz Truppen abzuziehen, ohne diese Provinz einer großen Gefahr auszusetzen. Die pannonischen und
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