Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
er
spürte jeden der schnellen Schläge, so als trommle jemand von innen auf seine
Brust. Schweißperlen der Angst liefen seinen Nacken hinunter und verursachten
auf seinem ganzen Körper eine Gänsehaut. Fünf verzerrte und spindeldürre Finger
waren auf ihn gerichtet. Der Schemen schien sich an Thalons Angst zu laben,
saugte sie förmlich in sich auf und schien dadurch zu wachsen. Quälend langsam
kam die Hand des Schemens auf ihn zu, drohte bereits ihn zu berühren. Da kam
ihm urplötzlich eines der Lieder in den Kopf, welches der Klavierspieler in
Sarkenau gespielt hatte, als Thalon zusammen mit Lewia und Emilia an einem
Tisch gesessen hatte. Es war eine beruhigende und eingängige Melodie, die ihn
an ein Kinderlied erinnerte. Mit dem Lied kamen die schönen Erinnerungen an
Lewia und an die gemeinsame Zeit. Warum hatte er sich nur so verändert? Ohne es
zu wollen begann er, die Melodie leise vor sich her zu summen und dabei die
Augen zu schließen. Er erinnerte sich an das unbeschreibliche Gefühl von Lewias
Lippen auf seinen, als sie sich geküsst hatten und Wärme stieg in ihm auf, die
die Panik, die ihn bis eben noch im Griff gehabt hatte, aus seinem Körper
vertrieb. Die schnellen Schläge seines Herzens wurden sanfter und ruhiger, bis
sie schließlich wieder den gewohnten Rhythmus aufnahmen. Langsam öffnete Thalon
seine Augen. Das erste, was er realisierte war, dass die Abscheulichkeit, die
er zuvor gesehen hatte, verschwunden war. Der zweite Blick fiel auf seine
Hände. Ungläubig drehte er sie hin und her. Wie war das möglich? Sein breites
Grinsen musste für eventuelle Außenstehende seltsam ausgesehen haben, doch er wusste, dass niemand da war, der ihn sehen konnte. In diesem Moment empfand er
es als eine gute Tatsache an. Dann konnte er sich nicht mehr beherrschen und
lachte voller Freude. Diesmal war es kein verstörendes Lachen, wie es noch
zuvor der Fall gewesen war, sondern ein ehrliches und fröhliches. Man konnte
fast sagen, dass es ein unbeschwertes Lachen war. Seine Hände glühten in einem matt goldenen
Licht. Einzelne Strahlen waren zu erkennen, die wie kleine Wesen auf seiner
Haut tanzten. Und als er an sich hinunter schaute, merkte er, dass sein ganzer
Körper erleuchtet war. „Das muss die Aura der Lichtritter sein“, dachte Thalon,
der noch immer nicht begreifen konnte, was gerade passierte. Noch nie in seinem
Leben hatte er ein solches Glücksgefühl verspürt, wie in diesem einen Moment.
All die Panik und Furcht, vor der Schattengestalt, die er durch seine eigene
Angst erschaffen hatte, war wie ausgelöscht. Endlich konnte er Genaueres in der
Finsternis erkennen und musste nicht mehr durch die Dunkelheit stapfen. Er
verdrängte also den Durst und rappelte sich wieder auf. Mit neu gewonnenem Mut
ging er weiter durch den nun erhellten Gang
Kapitel 17: Das trügerische Paradies
Einige Zeit später, nachdem das Glücksgefühl
bereits abgeklungen war, erblickten seine Augen etwas Seltsames in der Ferne.
Thalon ging darauf zu und erkannte das Etwas am Ende des Tunnels, in dem er
sich gerade befand. Sein Atem stockte kurz. Thalons Blick versank in den hohlen
Augenlöchern im Schädel eines Skeletts, welches an der Wand lehnte. Die milchig
weißen Knochen stachen förmlich aus den dunklen Tönen der restlichen Mine
heraus. Der Schein der Aura fiel auf die Knochen und färbte sie leicht
gelblich. „Wie lange bist du wohl schon hier?“, fragte Thalon das stumme
Gerippe vor ihm und beugte sich zu ihm herunter. Zwar war ihm die Vorstellung
nicht geheuer, dass jemand, in diesen
Gängen auf elende Weise ums Leben gekommen sein musste, aber er versuchte, sich
davon nicht beeinflussen zu lassen. Er machte einen Schritt nach vorne und ging
in die Hocke. Als Thalon den Schädel des Knochengerüstes genauer betrachtete,
fiel ihm auf, dass der Mund zu einem stummen Schrei geöffnet war. In seinen
letzten Momenten musste er irgendetwas gesehen haben, dass ihn in einen
Schockzustand versetzt hatte, von dem sich seine Knochen auch nach dem Tod
nicht erholen konnten. Es wirkte beinahe so, als wäre der Körper des Toten
versteinert worden, um der Nachwelt wie ein Mahnmal zu dienen. Hatte diese
Person auch solch eine Schemengestalt gesehen? Und wenn ja, warum war diese Erscheinung in der Lage gewesen, zu töten,
wenn sie doch gar nicht existieren dürfte? Für Thalon stand fest, dass es eine
andere Todesursache gewesen sein musste. Allerdings fröstelte er bei dem
Gedanken
Weitere Kostenlose Bücher