Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
ansonsten schwarzen Raumes. Thalon spähte hinunter. Auch unter dem
Pfad funkelten Sterne. Am meisten imponierten ihm die vereinzelt auftretenden
Farbspektren inmitten der Himmelskörper. Wie riesige Nebelvorhänge schwebten
sie in der Weite und bildeten abstrakte Strukturen. Manche von ihnen waren
lila, andere wiederum orange. Für Thalon stand fest, dass er sich nun nicht
mehr in Oleiphea befinden konnte, denn so sehr er es versuchte, fand er keine
Erklärung für die Phänomene die er gerade sah. Immer wieder rieb er sich die
Augen, um sicherzustellen, dass er nicht träumte, doch er befand sich nach wie
vor in der faszinierenden Leere. Nachdem er sich aus der Starre der
Begeisterung gelöst und wieder zu sich gefunden hatte, lief er den Pfad
entlang. Zwar führte dieser ihn in den unbekannten Raum hinein, Thalon jedoch
wollte herausfinden, was am Ende des Weges auf ihn wartete, falls ein Ende
existierte. Immer weiter entfernte er sich von der Halle und bald schon war sie
auf zauberhafte Art und Weise verschwunden. Auch der Weg, den er bereits
zurückgelegt hatte, hatte sich in Luft aufgelöst. Ihm blieb daher keine Wahl,
als weiter voranzuschreiten. Wer auch immer für diesen Zauber verantwortlich
war, wollte, dass Thalon unter allen Umständen dem Pfad folgen würde. Nach
einiger Zeit weitete der Pfad sich plötzlich und bildete eine traumartige
Ebene. Sie war mit saftigen Gräsern überwachsen und vereinzelte Hügel befanden
sich auf ihr. Ein paar Bäume wuchsen hinauf in den Sternenhimmel, wurden
allerdings von vier gewaltigen Statuen um Längen überragt. In Anbetracht dessen
kam sich Thalon wie ein Staubkorn vor. Er schätzte die Größe der Statuen auf
jeweils eintausend Fuß. Auf einmal erkannte er jemanden in der Mitte der Ebene.
„Vigil? Was macht Ihr hier?“, rief Thalon ungläubig und eilte auf den alten
Mann zu. Als dieser Thalon erkannte, breitete er freudig seine Arme aus. „Ah,
mein ewig schlagendes Herz ist erfreut Euch zu sehen, Lichtritter Thalon“,
sagte er in einem zeremoniellen Ton. Vigil trug edle weiße Gewänder, die der
Kutte eines Priesters glichen. Sie verliehen seiner ohnehin schon machtvollen
Gestalt noch mehr Ausdruck. „Was ist das hier alles? Wo bin ich hier?“,
erkundigte sich Thalon, während er sich noch immer wie betört umschaute. „Ihr
mögt sie Euch anders vorgestellt haben, aber tatsächlich ist dies die heilige
Halle. Der Tempel, den ihr zuvor betreten habt, ist lediglich das
Konnekturium“, erklärte Vigil, als sei damit alles beantwortet. Der unwissende
Blick Thalons zeigte dem Wächter jedoch, dass weitere Erklärungen von Nöten
sein würden. „Das Konnekturium ist das Verbindungsstück von Oleiphea und der
heiligen Halle. Nur dem Lichtritter ist es möglich, die heilige Halle durch das
Konnekturium zu betreten. Es ist schwierig, zu erklären, wie genau das alles
hier funktioniert. Gebt Euch damit zufrieden, dass göttliche Kräfte am Wirken
sind. Nun wollen wir allerdings nicht die ganze Zeit hier herum stehen und ein
Schwätzen über die unerklärlichen Phänomene der Welt von Oleiphea halten.
Kommt, genug Zeit ist bereits verstrichen. Die anderen warten bereits gespannt
auf Euch“, sagte Vigil und winkte Thalon zu sich heran, ehe er auf eine der
Statuen zu schritt. „Wer wartet auf mich? Ich verstehe nicht ganz“, stammelte
Thalon, aber Vigil sagte kein Wort mehr und drehte sich auch nicht mehr um.
Erst als sie die Statue erreicht hatten, blieb Vigil stehen, drehte sich zu
Thalon um und wies feierlich auf den Stein der Statue. „Was nun? Soll ich etwa
dagegen laufen?“, fragte Thalon spöttisch. „Nicht im Geringsten! Welch eine
absurde Idee. Vielmehr sollt Ihr Euren Geist zu Füßen der Statue öffnen“,
erläuterte Vigil. Thalon verschränkte die Arme. „Könntet Ihr wohl einmal etwas
so sagen, dass ich verstehe, wovon ihr redet?“, bat Thalon entnervt. „Setzt
Euch hin, schließt die Augen und entspannt Euch!“, befahl der Wächter
schließlich. Ein kurzes Lächeln durchzuckte Thalons Gesicht. „Geht doch!“,
sagte er und tat, wie ihm geheißen. Er kniete sich nieder und atmete tief ein
und aus. Die Luft an diesem traumhaften Ort war rein und klar. Nach all der
stickigen Luft im Berg war es für ihn ein Segen. Er spürte, wie sich seine
Lungen weiteten. Dann versuchte er, den Kopf frei zu bekommen. Diese letzte
Aufgabe schien ihm schwerer, als gedacht. Denn kaum hatte er die Augen
geschlossen, flimmerte vor seinem geistigen Auge ein
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