Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
geworden. Er murmelte einen Gruß und wäre seiner Wege gegangen, hätte Wexford ihn nicht mit dem offiziellen “Mr. Burden!« zurückgehalten, das er gewöhnlich in Gegenwart von Leuten wie Camp und Wild benutzte.
»Sir?« erwiderte Burden gleichermaßen formell.
Leiser sagte Wexford: “Ich habe den Vormittag mit diesem Rushworth verbracht, aber ich konnte nichts aus ihm rauskriegen. Kommt mir ein bißchen dämlich vor, der Mann.«
Mit Mühe versuchte Burden sich auf Rushworth zu konzentrieren. “Ich weiß nicht«, meinte er. »Ich hätte ihn selbst auch nicht als möglichen Verdächtigen in Betracht gezogen, aber immerhin besitzt er einen Dufflecoat, und dann die Sache, als er die Tochter von Crantocks zu Tode erschreckt hat.«
»Was hat er?«
Wexfords Worte kamen als scharfes Zischen heraus. »Das habe ich Ihnen doch erzählt«, sagte Burden. »Es stand in meinem Bericht.« Zögernd und erneut murmelnd, gab er dem Chief Inspector eine Zusammenfassung dessen, was in der Chiltern Avenue geschehen war. »Das muß ich Ihnen erzählt haben«, er stockte. »Ich bin sicher, ich...«
Wexford vergaß Camb und Wild. “Mitnichten haben Sie das!« schrie er. »Sie haben überhaupt keinen verdammten Bericht geschrieben. Und jetzt - jetzt - kriege ich zu hören, daß Rushworth ein Kind belästigt hat?«
Burden hatte keine Worte. Er merkte, wie er blutrot wurde. Es stimmte - er erinnerte sich jetzt-, er hatte keinen Bericht geschrieben, die ganze Sache war ihm entfallen. Liebe und Sehnsucht hatten alles aus seinem Gedächtnis ausgelöscht; denn jene Nacht, in der Stowerton in Nebel gehüllt gelegen hatte, war seine erste Nacht mit Gemma gewesen.
Es wäre wohl zu einem ernsthaften Zusammenstoß zwischen ihm und Wexford ausgeartet, hätte Harry Wild sich nicht eingemischt. Unsensibel für Atmosphärisches und unfähig, sich vorzustellen, daß er je überflüssig sein könnte, drehte Wild sich um und sagte laut:
»Wollen Sie damit sagen, Sie haben Bob Rushworth für diese Sache auf dem Kieker?«
»Ich will überhaupt nichts sagen, und Ihnen schon gar nicht«, fuhr Wexford ihn an.
»Sie brauchen nicht gleich so aufzubrausen. Wollen Sie denn keine Hilfe bei Ihrer Untersuchung?«
»Was wissen Sie denn darüber?«
“Na, ich kenne jedenfalls Rushworth«, sagte Wild und schob sich zwischen die beiden Polizisten. »Und ich weiß, daß er ein Ekelpaket ist. Freund von mir hat von ihm ein Cottage in Mill Lane gemietet, und Rushworth hat einen Schlüssel behalten und taucht da auf, wann immer es ihm Spaß macht. Er hat sogar mal alle privaten Papiere von meinem Freund durchgewühlt, ohne auch nur ein Wort der Erklärung, und sein Sohn geht hin und holt sich Äpfel aus dem Garten, einmal hat er eine Flasche Milch geklaut. Ich könnte Ihnen Sachen über Bob Rushworth erzählen, da würden Ihnen die...«
“Ich glaube, Sie haben mir genug erzählt, Harry«, unterbrach Wexford. Ohne die übliche Einladung zum Lunch, ohne auch nur einen Blick auf Burden, verließ er das Revier auf dem gleichen Weg, den er gekommen war.
Weil er sicher war, daß Burden, wenn er ins Carousel ging, hinterherkommen und ihm das Essen mit gewundenen Entschuldigungen verderben würde, fuhr Wexford nach Hause und überraschte seine Frau, die ihn sonst zwischen neun und sechs selten sah, mit dem Wunsch nach Eßbarem. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so schlechte Laune gehabt hatte. Übel aussehende, dunkle Venen standen an seinen Schläfen hervor und alarmierten ihn derart, daß er mit dem Bier, das Mrs. Wexford aus dem Kühlschrank zutage förderte, gleich zwei seiner Blutdrucktabletten hinunterspülte. Burden sollte klüger sein, als ihn so aufzuregen. Kein Wunder, wenn er noch endete wie der arme alte Scott.
Etwas ruhiger, fuhr er gegen drei los, um Mrs. Thetford aufzusuchen. Eine Nachbarin sagte ihm, sie sei noch zum Saubermachen bei Mrs. Dean. Wexford hing herum, bis sie zurückkam, und sah keinen Grund, ihre Einladung zu einer Tasse Tee und einem Stück Fruchtkuchen auszuschlagen. Die Rushworths waren beide den ganzen Tag außer Haus, und er wollte sie lieber gemeinsam befragen, statt ein erneutes Gespräch in Rushworths Büro über sich ergehen zu lassen, wo sie dauernd durch Anrufe von Kunden unterbrochen wurden.
Tee und Kuchen waren leider alles, was Mrs. Thetford ihm zu bieten hatte. Sie wiederholte nur die Geschichte, die er bereits von ihrem Mann kannte. Gegen fünf Uhr habe ihr Mrs. Dean von John Lawrences Verschwinden
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