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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Mike?«
    »Ohne Vorsatz«, sagte Burden gelassen. »Unser Mörder trug etwas bei sich, das zwar als Mordwaffe dienen konnte, primär aber einen anderen Zweck erfüllte. So wie in dem Fall der Frau, die gerade Brot aufschneidet. Ihr Mann sagt irgendwas zu ihr, das sie um den Verstand bringt und blindwütig mit dem Brotmesser auf ihn losgehen läßt. Dennoch war der ursprüngliche Grund, weshalb sie das Messer eigentlich in der Hand hielt, das Brotaufschneiden.«
    »Ich für meinen Teil bin deshalb auch für vorgeschnittenes Brot«, witzelte der Arzt.
    Der einzige Hinweis, daß Wexford diese Bemerkung gehört hatte, waren die sich noch tiefer auf seiner Stirn einfurchenden Runzeln. »Wenn wir für den Augenblick mal bei Mikes Theorie bleiben, was könnte der Mann - oder die kräftige Frau - dann bei sich getragen haben? Was nimmt man im allgemeinen mit, wenn man nachts in den Wald geht?«
    »Einen Spazierstock«, sagte Burden wie aus der Pistole geschossen. »Einen Stock mit einer Spitze aus Metall.«
    Crocker schüttelte den Kopf. »Viel zu dünn. Die Waffe war überhaupt nichts in der Art. Höchstens ein Eisstock, aber das ist ziemlich weit hergeholt. Ein Golfschläger vielleicht?«
    Wexford warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Wollte wohl ein paar Bahnen zwischen den Bäumen spielen? Womöglich noch sein Handicap verbessern? Mein Gott, es ist doch nicht zu glauben.«
    »Jedenfalls schien der Mond«, sagte der Arzt. »Zumindest, bis der Sturm aufkam. Ein metallener Schuhabsatz vielleicht?«
    »Weshalb ist dann kein Schmutz in der Wunde?«
    »Du hast recht. Die Wunde war völlig sauber.«
    Wexford zuckte mit den Achseln und versank in brütendes Schweigen. Ebenso schweigsam zog Burden die Akten unter Wexfords Hand hervor und vertiefte sich mit unbewegter Miene in die Lektüre. Plötzlich ruckte Wexford auf dem knarrenden Drehstuhl herum.
    »Du hast doch gerade etwas gesagt, etwas über den Mond.«
    »So?«
    In pedantisch dienstlichem Ton erklärte Burden: »Dr. Crocker gab an, der Mond habe geschienen, bis der Sturm aufgekommen sei.« In der Art eines Rechtsanwalts wandte er dem Arzt sein klares Profil zu. Crocker zog die Augenbrauen hoch.
    »Ah, ja. Ich erinnere mich noch daran, weil ich wegen einer Entbindung in Flagford war. Der Mond schien hell, aber um elf zogen sich die Wolken schon zusammen, und um halb zwölf war der Mond nicht mehr zu sehen.«
    Ein Grinsen, weniger humorvoll als vielmehr triumphierend, breitete sich allmählich auf Wexfords Gesicht aus. »Und was nimmt man in einer solchen Nacht folglich mit in den Wald?«
    »Einen Regenschirm«, sagte der Arzt; Burden aber, dessen Steifheit einer Art Jagdfieber wich, antwortete: »Eine Taschenlampe!«
     
    »Eine Taschenlampe?« fragte Quentin Nightingale. »Unsere stehen im Geräteraum.« Die Haut unter seinen Augen sah braun und wie Kreppapier aus, vielleicht infolge der zweiten schlaflos verbrachten Nacht. Seine Hände zitterten nervös, als er sich an die Stirn faßte, an seiner Krawatte herumfummelte und sie schließlich hinter dem Rücken versteckte. »Wenn Sie glauben...«, murmelte er. »Falls Sie hoffen... Ihre Leute haben gestern das Haus von oben bis unten durchsucht. Was kann da noch...?« Er schien nicht fähig, seine Sätze zu beenden, sondern ließ sie in verzweifeltem Ton ausklingen.
    »Ich verfolge eine neue Spur«, sagte Wexford energisch. »Wo ist dieser Geräteraum?«
    »Ich führe Sie hin.«
    Als sie wieder in die Diele traten, klingelte es an der Vordertür. Quentin starrte auf die Tür, als erwarte ihn Nemesis persönlich auf der anderen Seite, doch er machte keine Anstalten, selbst zu öffnen, sondern nickte nur kraftlos Mrs. Cantrip zu, die aus der Küche angetrottet kam.
    »Wer kann das nun wieder sein?« fragte sie wütend. »Sind Sie für Besucher zu Hause, Sir?« Seine Apathie rief nicht Ungeduld bei ihr hervor, sondern weckte ihr Mitleid. »Ich hätte gute Lust, denen mal ordentlich heimzuleuchten!«
    »Sehen Sie lieber mal nach, wer da ist«, sagte Quentin.
    Es waren Georgina Villiers und Lionel Marriott. Die große, knochige junge Frau, die sich mit unpassendem Modeschmuck geschmacklos herausgeputzt hatte, und der kleine scharfsinnige Mann gaben ein seltsames Paar ab. Auf Georginas Gesicht spiegelten sich gemischte Gefühle wider, Hoffnung, Schüchternheit und unbändige Neugier. In der Hand hielt sie eine Leinentasche mit Tragbügeln aus Plastik, die eher zu einer Wanderin paßte als zu einer Frau, die einen morgendlichen

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