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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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niedergeschlagen gewirkt haben, nicht weil wir uns gestritten hatten, sondern weil wir glücklich gewesen waren.
    Ich wollte, daß sie Quentin verläßt und mit mir zusammen weggeht. Sie lehnte ab. Wären wir vor Jahren zusammengezogen, hätte uns niemand als Geschwister im Verdacht gehabt. Jetzt wußten es alle, die Folge wäre ein ungeheurer Skandal. Das hat sie zumindest gesagt. Doch ich, soror mea sponsor, kannte sie besser. Mir war klar, daß ihr das Geld und ihre Stellung genauso viel bedeuteten wie ich. Sie war daran gewöhnt, zwei Eisen im Feuer zu haben, auf zwei Hochzeiten zu tanzen, und abgesehen von ihrer entsetzlichen Angst vor Twohey war sie wohl im wesentlichen glücklich.
    Ich war am Tiefpunkt angelangt. Ich war sechsunddreißig und hatte mein ganzes Leben lang hart gearbeitet, doch ich besaß keinen Penny. Die Früchte meiner Arbeit hatte der Geliebte einer Modistin in Mayfair geerntet und sich damit ein Leben in Saus und Braus ermöglicht. Ich hatte keine Frau, keine Kinder, keine Freunde und hauste in drei Zimmern. Zugegeben, ich hatte Elizabeth, aber für wie lange? Es würde der Tag kommen, an dem sie, älter und ruhiger geworden, mich zugunsten ihrer anderen, sichereren Welt aufgeben würde.
    Ich beschloß, einen Schlußstrich zu ziehen, und lehnte daher Quentins Einladungen ins Herrenhaus, seine fast unwiderstehlichen Bitten alle ab. Ich dachte, ich würde arbeiten können. Statt dessen lag ich Abend für Abend auf meinem Bett, zerbrach mir den Kopf, tat nichts und spielte gelegentlich mit Selbstmordgedanken. Es war eine Finsternis der Seele, vergleichbar mit Wordsworth’ Nervenzusammenbruch, als er Frankreich verlassen und Annette aufgeben mußte.
    An Elizabeth lag mir nichts mehr. Wenn ich jemanden vermißte, dann Quentin. Schließlich ging ich zum Herrenhaus und gab ihnen Bescheid, daß ich nicht mit nach Rom fahren würde. Mein Blick fiel auf Elizabeth, und ich fühlte - nichts. Es war mir unbegreiflich, daß ich die besten Jahre meines Lebens damit verschwendet hatte, sie zu lieben.
    Ich ging nach Spanien. Nicht in das romantische, zauberhafte Spanien von Madrid und den Sierras, sondern in ein brodelndes Blackpool, denn das haben wir aus der Costa Brava gemacht, und ich besuchte das Land als Begleitlehrer einer Klassenfahrt. Ich dachte mir damals wohl, Wut, Erbitterung und qualvolle Langeweile zu empfinden, sei immer noch besser, als gar nichts zu empfinden.
    Georgina wohnte im gleichen Hotel. Ich bin kein attraktiver Mann mehr, Mr. Wexford, und ich sehe viel älter aus, als ich bin. Amüsantes Plaudern liegt mir nicht, denn ich habe mein Inneres vollständig meiner Schwester anvertraut. Schon vor sehr langer Zeit habe ich verlernt, wie man junge Frauen betört. Ich eigne mich eher für die Zelle eines Trappistenmönchs als für geistreiche Gespräche in einem Boudoir. Aber Georgina, das arme Ding, verliebte sich in mich. Eigentlich ein Witz, Georginas Liebe in dieser miserablen Absteige.
    Ich hatte alles, war reich begabt gewesen, und hatte alles vergeudet. Sie hatte nie etwas. Als jüngstes Kind einer vielköpfigen armen Familie hatte sie, wie sie mir erzählte, nie etwas besessen, von dem sie das Gefühl haben konnte, daß es ganz allein ihr gehöre. Kein Mann hatte sie je begehrt oder war auch nur öfter als ein- oder zweimal mit ihr ausgegangen. Sie war unscheinbar, schüchtern und fad.
    Ein armes, vom Schicksal mißachtetes Ding, aber mein eigen...
    Wir heirateten. Ich brachte Georgina ins Herrenhaus und sah die Enttäuschung auf Quentins Gesicht. Für Elizabeth war es keine Enttäuschung. Sie triumphierte in dem Kleid aus weißem Samt und mit ihren nachgemachten Juwelen. Ich richtete den Blick auf sie, dann auf die arme Georgina, und während ich mich von neuem in meine Schwester verliebte, fragte ich mich: Was hast du getan?
    Der dritte Anfang, und der letzte...
     
    Ich wollte einen Hausstand gründen. Ich wollte Kinder. Wenn schon nicht sechs, so doch ein paar. Doch ich hörte nicht auf die strenge Tochter der Stimme Gottes, und auch nicht auf die schrillere, nörgelnde Stimme meiner Frau, die lautstark verlangte, ich müsse ihr ein und alles sein, ein Ausgleich für lange Einsamkeit, ein Mustergatte, der sie zärtlich liebte. Ich hörte auf meine Schwester.
    Kommen wir also zu Elizabeths Todestag. Nein, Sie haben mir natürlich nicht geglaubt, als ich behauptete, daß ich abends immer in die Schulbibliothek ginge, um Recherchen für meine Arbeit anzustellen. Nur jemand, der so

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