Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
unbelesen und uninteressiert an Literatur ist wie Georgina, konnte das glauben. Abgesehen von der Selincourt and Darbyshire Collection Edition, deren Bände bei mir zu Hause stehen, sind die einzigen Werke über Wordsworth in der Schulbibliothek meine eigenen. Ich traf mich zu dieser Zeit immer mit Elizabeth im Wald. An jenem Tag hatten wir den Nachmittag zusammen verbracht, aber das reichte uns nicht. Die Schulferien würden bald zu Ende sein, und dann...? Einmal in der Woche ein Treffen zum Bridgespielen? Literarische Diskussionen mit Quentin, und Elizabeth als schweigsame Dritte? Wir vergingen vor Sehnsucht nacheinander. Wir verabredeten uns auf dreiundzwanzig Uhr im Wald.
Ich habe gesagt, daß Georgina meine Entschuldigungen gelten ließ, doch wenn sie dies hätte, wäre Elizabeth heute noch am Leben. Georgina mißtraute mir allmählich, und für eine so krankhaft eifersüchtige Frau wie sie erfordert Mißtrauen sofortiges Handeln.
Wir fuhren zum Herrenhaus und spielten Bridge. Kurz bevor wir gingen, schenkte Elizabeth Georgina einen Seidenschal. Sie schenkte Georgina immer eine Menge abgelegte Kleidung. Es belustigte sie wohl, meine Frau in ihren ausrangierten Modellkleidern zu sehen, da sie genau wußte, daß Georgina eine schlechtere Figur in ihnen machte als sie und mir dies auch auffallen würde, was zu dem naheliegenden ungerechten Vergleich führte.
Ich brachte Georgina nach Hause und fuhr wieder weg, um mich mit Elizabeth zu treffen. Kurz vor elf kam sie auf die Waldlichtung. Wir setzten uns auf einen Stamm, rauchten und redeten. Elizabeth hatte jene Taschenlampe aus dem Geräteraum mitgebracht, denn wegen der Wolken, die sich vor den Mond geschoben hatten, war es dunkel.
Ungefähr zwanzig Minuten nach elf meinte sie, es sei Zeit aufzubrechen. Georginas leichte Gereiztheit nach unserer Bridgepartie hatte sie nervös gemacht, und sie sagte, ein zu langer Aufenthalt im Wald bedeute, das Schicksal herauszufordern.
Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, nach unseren Treffen neben meinem Auto zu warten und ihr nachzusehen, bis sie die Straße überquert hatte und sicher im Park des Herrenhauses angelangt war, und so gingen wir Arm in Arm zum Auto. Auf dem Weg fiel uns ein anderes Auto auf, dessen Scheinwerfer suchend am Waldrand entlangstrichen, doch es fuhr weiter, und wir dachten nicht mehr daran.
Als wir zu meinem Wagen kamen, sagte Elizabeth, sie habe ihre Taschenlampe vergessen und müsse zurückgehen und sie holen, falls sie jemand fand und ihr dadurch auf die Spur kam. Ich wollte sie begleiten, aber sie meinte, sie könne gefahrlos allein gehen. Was könne ihr schon passieren? Ja, was schon? Ich nahm sie in die Arme und küßte sie, so wie ich sie an dem Tag geküßt hatte, als Twohey vor dem Fenster stand. Dann fuhr ich nach Hause. Georgina war nicht da, als ich zurückkam; ihr Auto auch nicht. Sie kam um Mitternacht heim, fröstelte in einer dünnen Bluse - denn ihren Pullover hatte sie auf Palmers Unkrautfeuer verbrannt -, und in der Hand hielt sie eine in Zeitungspapier eingewickelte, blutbefleckte Taschenlampe.
Sie war mir gefolgt, Mr. Wexford, und hatte gesehen, wie ich Elizabeth küßte, deshalb wartete sie bei dem Baumstamm, bis Elizabeth wegen der Taschenlampe noch einmal zurückkam. Was dann geschah, weiß ich nur nach dem, was mir Georgina erzählt hat. So schokkiert, so entsetzt war sie über das, was sie gesehen hatte, daß ihr seelisches Gleichgewicht, um es in der Sprache der Justiz auszudrücken, als gestört gelten muß. Sie versuchte, dies Elizabeth zu erklären, doch sie drückte sich unverständlich aus, war hysterisch, und Elizabeth lachte ihr ins Gesicht. Was sie, Georgina, denn glaube, dagegen unternehmen zu können, fragte sie meine Frau. Es liege in der Natur der Sache, daß unser Verhältnis nicht ewig Bestand haben würde. Georgina müsse warten, bis ich eines Tages zu ihr zurückkehren würde. Bestimmt würde sie es doch nicht auf einen Skandal ankommen lassen, der unumgänglich sei, wenn sie Szenen machte oder jemandem davon erzählte?
Elizabeth beugte sich vor, um nach der Taschenlampe zu suchen, die, wie sie dachte, hinter den Baumstamm gefallen war. Sie hatte sich geirrt. Georgina hielt die Lampe in der Hand, und während Elizabeth ihr den Rücken zuwandte, versetzte sie meiner Schwester damit einen Schlag. Immer wieder schlug sie auf sie ein, bis Elizabeth tot war. Georgina trug selber den Schal. Sie riß ihn sich von den Schultern und wischte sich die Hände
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