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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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gekommen, auf seine leidenschaftliche Bitte hin, und hatte geglaubt, er würde sie bei ihrer Aufgabe unterstützen; sie war sicher gewesen, daß er sich bemühen würde, die Abende zu Hause zu verbringen, an den Wochenenden etwas mit den Kindern zu unternehmen, sie bis zu einem gewissen Grade für den Verlust der Mutter zu entschädigen. Nichts davon hatte er getan. Wann hatte er zuletzt einen Abend zu Hause verbracht? Vor drei Wochen? Vor vier? Und er arbeitete nicht immer. Eines Abends, als sie den Anblick von Johns verbittertem, rebellischem Gesicht nicht länger ertragen konnte, hatte sie Wexford angerufen, und der Chief Inspector hatte ihr gesagt, Mike sei um fünf Uhr gegangen. Später erzählte ihr eine Nachbarin, wohin Mike ging. Sie hatte ihn auf einem Waldweg in Cheriton Forest in seinem Wagen gesehen, wie er einfach nur dasaß und auf die geraden, gleichförmigen, endlosen Baumreihen starrte.
    »Sollen wir ein bißchen fernsehen?« sagte sie, bemüht, sich die Erschöpfung nicht anhören zu lassen. »Ich glaube, es gibt heute einen ganz guten Film.«
    »Zuviel Hausaufgaben«, sagte John. »Und ich kann Mathe nicht machen, ehe mein Vater nicht da ist. Hast du gesagt, er kommt um zehn?«
    »Er hat gesagt, gegen zehn.«
    »Dann gehe ich mal in mein Zimmer.«
    Grace und Pat setzten sich aufs Sofa und sahen sich den Film an. Er handelte vom häuslichen Leben eines Polizisten und hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit.
     
    Burden fuhr nach Stowerton, durch das Neubauviertel und in die alte High Street. Fontaine Road lag parallel zur Wincanton Road, und da hatten er und Jean vor Jahren, als sie jung verheiratet waren, eine Wohnung gehabt. Wo auch immer er hinkam in Kingsmarkham und seiner Umgebung, stieß er auf Orte, wo er und Jean gewesen oder wo sie zu irgendeiner besonderen Gelegenheit hingefahren waren. Er konnte diese Plätze nicht vermeiden, aber der Anblick tat jedesmal aufs neue weh, und der Schmerz wollte nicht vergehen. Seit ihrem Tod hatte er um die Wincanton Road einen Bogen gemacht, denn dort waren sie ganz besonders glücklich gewesen; ein junges Liebespaar, das lernt, was Liebe ist. Heute war ein schlimmer Tag, schlimm, weil er aus irgendeinem Grund ganz besonders verletzlich und kribbelig war, und er hatte das Gefühl, der Anblick des Hauses, in dem sie gewohnt hatten, könnte das Faß zum Überlaufen bringen. Seine Selbstbeherrschung könnte völlig zusammenbrechen, und er würde am Tor stehen und weinen.
    Er hielt den Blick starr geradeaus gerichtet und schaute nicht einmal auf das Straßenschild, als er vorbeifuhr. Dann bog er links in die Fontaine Road ein und hielt vor dem Haus Nummer 61 an.
    Es war ein sehr häßliches Haus, vielleicht achtzig Jahre alt und umgeben von einem wilden, ungepflegten Garten voller alter Obstbäume, deren Blätter in Haufen im Gras lagen. Das Haus war aus khakifarbenem Backstein und hatte ein kaum ansteigendes, fast flaches Schieferdach. Die Schiebefenster waren sehr klein, die Eingangstür dafür enorm, beinah überproportional, ein großes, schweres Ungetüm von einer Tür mit roten und blauen Scheiben. Sie stand einen Spaltbreit offen.
    Burden ging nicht sofort ins Haus. Wexfords Wagen stand zwischen anderen Polizeiautos am Zaun, der das Ende der Straße von dem angrenzenden Feld trennte, auf dem die Gemeinde Stowerton einen Spielplatz angelegt hatte. Dahinter weitere Felder, Wald, sanft gewellte Landschaft.
    Wexford saß in seinem Wagen und studierte ein Meßtischblatt. Als Burden herantrat, sah er auf und sagte: »Nett, daß Sie so schnell da sind. Ich bin auch eben erst gekommen. Wollen Sie mit der Mutter reden, oder soll ich?«
    »Ich werde es machen«, sagte Burden.
    Ein schwerer Türklopfer in Form eines Löwenkopfes mit einem Ring durchs Maul war an der Haustür von Nr. 61 angebracht. Burden klopfte leicht, dann stieß er die Tür auf.

2
    Im Flur stand mit zusammengepreßten Händen eine junge Frau. Das erste, was Burden an ihr auffiel, war ihr Haar, es hatte die gleiche Farbe wie die herbstlichen Blätter der Apfelbäume, die der Wind von draußen auf die Fliesen des Durchgangs geweht hatte. Es war feurig-kupfernes Haar, weder glatt noch lockig, aber voll und glänzend wie feiner Draht oder auf dem Rocken gesponnener Faden; es stand um ihr kleines, weißes Gesicht und fiel ihr bis über die Schulterblätter.
    “Mrs. Lawrence?«
    Sie nickte.
    »Ich bin Inspector Burden, C.I.D. Bevor wir uns unterhalten, hätte ich gern ein Foto

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