Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
ziemlich verzweifelt. G.’
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis Burden sich die Tatsache klargemacht hatte, daß sein eigener Sohn ebenfalls John hieß. Er schaute sich die Hausaufgabe an, und soweit er sehen konnte, war die Algebra in Ordnung. Viel Lärm um nichts. Diese kleinen, nörgeligen Zettel von Grace wurden ein bißchen viel in letzter Zeit. Er öffnete die Tür zum Zimmer seines Sohnes und sah, daß er fest schlief. Grace und Pat schliefen in dem Zimmer, das seins und Jeans gewesen war - undenkbar als sein Schlafzimmer nach ihrem Tod -, und er konnte nicht gut hineinschauen. In seinem eigenen Bett, vorher Pats kleine Klause, wo Balletteusen über die Wände hüpften, wie es zu einer Elfjährigen gehörte, setzte er sich aufs Bett und merkte, wie die Müdigkeit von ihm abfiel und er so hellwach wurde, als sei es früh um acht. Er konnte erschöpft sein bis kurz vor dem Zusammenbruch, doch sobald er hier drin und mit sich allein war, überkam ihn unvermittelt dieser grauenerregende, demütigende Drang.
    Er legte den Kopf in die Hände. Alle glaubten, er vermisse Jean als Kameraden, als jemanden zum Reden und Unannehmlichkeiten teilen. Das tat er auch, sehr sogar. Aber was ihn am allermeisten belastete, Tag und Nacht ohne Unterlaß, waren sexuelle Wünsche, die sich, seit zehn Monaten ohne Erfüllung, zu einem verkapselten, quälenden, sexuellen Wahn gesteigert hatten.
    Er wußte sehr wohl, wie alle über ihn dachten. Für sie war er ein kalter Fisch, streng angesichts von Zügellosigkeit, der nur um Jean trauerte, weil er sich an die Ehe gewöhnt hatte und, wie Wexford es nannte, ‘total verheiratet’ war. Wahrscheinlich stellten sie sich vor, falls sie überhaupt je darüber nachgedacht hatten, er und Jean seien alle vierzehn Tage einmal im Dunkeln zusammen unter die Decke gekrochen. Genau so schätzten einen die Leute ein, wenn man vor schmutzigen Witzen zurückschreckte und diese tabufreie Gesellschaft als verrottet bezeichnete.
    Es schien ihnen nicht im Traum einzufallen, daß man Freizügigkeit und Ehebruch womöglich einfach deswegen verabscheute, weil man wußte, was Verheiratetsein bedeuten konnte, und es zu solch einem Grad der Vollendung erfahren hatte, daß alles andere Hohn war, eine armselige Imitation. Es war ein Glück, ja, aber... Ach, Gott, es war auch ein Unglück! Ans Land geworfen wie ein Fisch und krank war man, wenn es vorüber war. Jean war unberührt gewesen, als er sie geheiratet hatte, und er ebenso. Die Leute sagten immer - dumme Leute, und die dummen Dinge, die sie behaupteten-, das erschwere es, wenn man heirate, aber für ihn und Jean war es nicht so gewesen. Geduldig und hingebungsvoll und voller Liebe waren sie miteinander umgegangen, und sie waren beide so reich belohnt worden, daß Burden jetzt, wo er wie aus einer öden Wüste darauf zurückblickte, kaum glauben konnte, daß es beinah von Anfang an so gut gewesen war, ohne Versagen, ohne Enttäuschungen. Und doch glaubte er es, denn er wußte es und erinnerte sich und litt.
    Und wenn sie wüßten? Ihm war klar, was sie ihm dann raten würden. Nimm dir eine Freundin, Mike. Nichts Ernstes. Einfach ein nettes, unkompliziertes Mädchen, mit der man ein bißchen Spaß haben kann. Vielleicht konnte man das, wenn man gewohnt war, über die Stränge zu schlagen. Er war nie Liebhaber irgendeiner anderen Frau außer Jean gewesen. Sex war für ihn gleichbedeutend mit Jean. Sie machten sich nicht klar, daß ihr Ratschlag, sich eine andere Frau zu nehmen, das gleiche war, als würden sie Gemma Lawrence raten, sich ein anderes Kind anzuschaffen.
    Er zog seine Sachen aus und legte sich bäuchlings aufs Bett, die Fäuste sorgsam geballt unter das Kissen geschoben. Er zweifelte nicht im geringsten daran, wie die Nacht vergehen würde. Alle Nächte waren gleich. Erst das Wachliegen und das Begehren, die tatsächliche, physische Pein, als sei sein Körper ein einziger Schrei ohne einen Auslaß für diesen Schrei; dann schließlich der Schlaf mit dem langen, schweren, orgiastischen Traum, der kurz vor dem Morgengrauen kommen würde.

4
    Wenn Mike sich auch nur um die kleinste Entschuldigung bemühte, überlegte Grace, dann würde sie kein Wort verlieren. Natürlich mußte er arbeiten, und oft konnte er nicht weg, ohne seinen Job zu gefährden. Sie wußte, was das bedeutete. Bevor sie hierhergekommen war, um seinen Haushalt zu führen, hatte sie Freunde gehabt, einige, die einfach Freunde waren, und einige wenige, die Liebhaber waren, und oft

Weitere Kostenlose Bücher