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Der Liebe eine Stimme geben

Der Liebe eine Stimme geben

Titel: Der Liebe eine Stimme geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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schmeichelhaften Emotionen gegenüber den Eltern typischer Jungen und Mädchen. Eifersucht, Ärger, Hass, Wut, Trauer. Das normale, gesegnete, leichte, als selbstverständlich betrachtete Leben dieser Familien wird ihr immer wieder unter die Nase gerieben.
    Sieh sie dir an , denkt sie dann meist, während Eifersucht, Ärger, Hass, Wut und Trauer sie verzehren, sie vergiften.
    Aber heute, völlig unerwartet, verspürt sie nichts von alledem. Stattdessen verspürt sie Erleichterung und Hoffnung, dass diese Mutter wenigstens ein anständiges Bild bekommen wird, auf dem ihre ganze Familie lächelnd in die Kamera sieht. Das Kleinkind zeigt noch immer auf den Laster, während es auf der Hüfte seiner Mutter sitzt, seine älteren Brüder brüllen » Cheeeeese «, und der Vater hat einen Arm um seine Frau und die andere Hand auf die Schulter des ältesten Jungen gelegt, während die Fotografin drauflosknipst und noch immer sagt: »Seht mich an.«
    Olivia hält sich ihre Nikon vors Auge und betrachtet diese Familie durch den Sucher. Der Sonnenuntergang steht jetzt kurz bevor. Das Licht auf ihren Gesichtern ist warm und schmeichelhaft. Klick. Klick. Klick. Sie sieht auf ihr LCD -Display, auf das letzte Bild, das sie eingefangen hat. Sie sieht die Sattheit, die Helligkeit und den Kontrast, die Komposition, und sie ist zufrieden. Es ist ein gutes Bild. Und dann geschieht etwas, vielleicht lichtet sich etwas von dem Grau, das sie umgibt, und sie vergisst die technischen Aspekte des Fotos. Sie betrachtet das Bild auf ihrem LCD -Display, und sie sieht Freude, Intimität, Familie, Liebe. Eingefangene Magie.
    Das könnte ich tun .

NEUN
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    Beth und Petra treffen Jill, die, stets früh dran, schon vor dem Salt auf sie wartet. Courtney kommt nicht, da sie heute Abend zwei Yogakurse gibt, und Georgia kann nicht kommen, weil sie in der Blue Oyster in derselben Straße eine Hochzeit betreut. Aber mit Petra und Jill hat Beth mehr als genug Frauenpower auf ihrer Seite, und in ihrem Goldie-Hawn-Kleid fühlt sie sich selbstbewusst und der Situation gewachsen. Doch als Petra vor ihr die Stufen hochgeht, wird Beth bewusst, dass ihr Herz viel zu schnell schlägt, als wollte es ihren Körper dazu drängen, in eine größere physische Aktion zu treten, passend zu ihrem rasenden Puls. Lauf! Sie konzentriert sich auf Petras Nacken, auf den Verschluss ihrer Türkis-Halskette, die Beth sich eigentlich borgen wollte, aber dann doch nicht angelegt hat. Sie zwingt sich zu jedem Schritt, geht langsam und bewusst, gegen den Instinkt ihres Herzens, hinter ihrer Freundin her in die Höhle des Löwen.
    »Hi, willkommen im Salt.«
    Bevor Beth sich auch nur umsehen kann, steht sie da und lächelt Petra an. Salts Samstagabend-Hostess. Angela.
    Sie ist jünger als Beth, vielleicht Ende zwanzig. Sie hat lange, lockige, dunkelbraune Haare. Sie trägt ein schlichtes, langweiliges schwarzes Top, aber es liegt eng an und hat einen tiefen V-Ausschnitt. Das und ein kleines goldenes Kreuz an einem langen Goldkettchen ziehen Beths Blicke, und vermutlich die aller anderen, auf ihre großen, aufregenden Titten. Na klar. In den Zwanzigern und große Titten.
    Beth zieht die Schultern ein und verschränkt die Arme vor ihrer eigenen Brust, die ohnehin schon brav bedeckt ist von der dicken Polyestermischung ihres Goldie-Hawn-Kleids. Selbst hochgeschoben und betont, so gut es ihr Victoria’s-Secret- BH vermag, selbst bevor die Schwangerschaft sie gedehnt hat und das Stillen ihnen jeden Schwung genommen hat, sahen ihre Titten nie so aus. Angelas Augen, groß und schwarz und aufreizend schön, lächeln noch immer, als sie zu Jill hinüberwandern, um sie einzubeziehen, aber dann, als sie Beth sehen, stocken sie.
    Sie weiß schon, wer ich bin .
    Angela räuspert sich und setzt ihr gekünsteltes, professionelles Begrüßungslächeln wieder auf. »Einen Tisch für drei Personen?«
    »Nein, danke«, sagt Petra. »Wir setzen uns an die Bar.«
    Tun wir das? , will Beth Petra ins Wort fallen. Sie will sagen, dass sie lieber einen Tisch hätten, bitte schön, und zwar einen mit Blick zur Straße und nicht zur Bar, aber ein säuerlicher Geschmack von Panik ist Beth in die Kehle gestiegen, und sie schafft es nur, zu schlucken. Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, folgt sie Petra und Jill an die Bar und setzt sich auf den freien Platz zwischen den beiden. Und da ist Jimmy.
    Er begrüßt sie zuerst mit neutraler Fröhlichkeit, wie er vielleicht drei beliebige Frauen begrüßen

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