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Der Liebe eine Stimme geben

Der Liebe eine Stimme geben

Titel: Der Liebe eine Stimme geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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Immer-Regeln. Ich mag Ursache und Wirkung. Etwas bewirkt, dass etwas anderes passiert, und ich weiß, was passieren wird, bevor es passiert, weil es immer passiert. Damit fühle ich mich gut.
    Wenn etwas eine Abhängig-Regel ist, dann kann alles passieren, und das macht mir Angst. Und dann muss ich schreien und weinen.
    Ich habe etwas, das AUTISMUS heißt. Meine Mutter und mein Vater verstehen die Ursache meines Autismus nicht, und das macht ihnen Angst. Und dann müssen sie schreien und weinen. Sie müssen Ursache und Wirkung und Immer-Regeln mögen, so wie ich.
    Ein Junge zu sein heißt nicht unbedingt, Autismus zu haben, denn die meisten Jungen haben keinen Autismus und ein paar Mädchen schon. Spritzen zu bekommen heißt nicht unbedingt, Autismus zu haben, denn viele Jungen und Mädchen bekommen Spritzen und haben keinen Autismus. Das heißt, Autismus zu haben muss einer Abhängig-Regel folgen. Autismus ist nicht wie Mathe. Autismus ist wie DU und hängt von der Situation ab. Daher vermeide ich es, über Autismus nachzudenken, denn ich mag die Abhängig-Regeln nicht.
    Dieses ganze Nachdenken über DU und Lichtschalter und Augen und Autismus hat dazu geführt, dass ich durch die Gänge schlendere. Ich gehe jetzt in mein Zählzimmer.
    Ich zähle die Fliesen auf dem Küchenboden. 180. Es sind immer 180 Fliesen auf dem Küchenboden. Immer.
    Mit immer fühle ich mich gut.
    Mit immer fühle ich mich sicher.
    Immer.

ACHTUNDZWANZIG
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    Olivia sitzt in ihrem Wohnzimmersessel, eines ihrer Tagebücher im Schoß, und starrt durchs Fenster auf die Bäume in ihrem Garten. Sie mag die Bäume hier nicht, die Virginia-Kiefern und die Virginia-Eichen. Sie sind zu dürr und zu kurz. Sie erscheinen ihr schwach und ausgemergelt, als wären sie unterernährt oder krank. Aber so sind sie eben. Die Bäume in ihrem alten Garten in Hingham sind richtige Bäume – riesige, mehrere hundert Jahre alte Eichen mit Stämmen, die so dick sind, dass man sich dahinter verstecken kann, und Ästen, die sich über den Himmel erstrecken. Um diese Jahreszeit müssten die Blätter rot und golden und atemberaubend sein. Sie seufzt auf, während sie durchs Fenster auf die rostbraunen Blätter an den winzigen Virginia-Eichen in ihrem Garten blickt und vom Herbst in Hingham träumt.
    1. Oktober 2006
    Ich glaube, ich will Anthonys ABA-Therapie abbrechen. Ich weiß, sie hat bei vielem geholfen. Seine Aufmerksamkeitsspanne hat sich verbessert. Sie haben sie angewandt, um ihm beizubringen, auf seinem Platz zu bleiben, Puzzles zu machen, Klötze aufeinanderzustapeln, sich anzuziehen, sich die Zähne zu putzen.
    Ich muss zugeben, es klappt tatsächlich. Anthony legt ein wünschenswertes Verhalten an den Tag, oder er tut, zumindest am Anfang, annähernd das, was wir von ihm wollen, und er bekommt eine positive Bestärkung. Belohnung für gutes Verhalten. Nimm ein Puzzleteil in die Hand, und du bekommst einen Pringle. Steck den Kopf durch das mittlere Loch deines T-Shirts. Pringle. Schlüpf mit den Füßen in deine Schuhe. Pringle.
    Ich kann mich erinnern, dass ich die Idee der ABA anfangs nicht mochte. Wissenschaftler wenden dieselbe Art Verhaltenskonditionierung an, um Tauben beizubringen, für Futterkörner auf einen Knopf zu hacken. Anthony ist ein Junge in einem Haus, keine Taube in einem Käfig. Aber es klappt. Die ABA hat Anthony so viele Fähigkeiten beigebracht, bei denen ich besorgt war, er würde sie nie erlernen.
    Aber in letzter Zeit hat sich Carlin, anstatt weitere Fähigkeiten hinzuzufügen, darauf konzentriert, unerwünschte Verhaltensweisen zu eliminieren. Der ABA-Ausdruck dafür heißt »löschen«. Dieses Wort geht mir gegen den Strich. Dabei stelle ich mir eine brennende Kerze vor, die mitten in Anthony orangefarben schimmert, und Carlin pustet und pustet wie der große böse Wolf und versucht sie auszublasen. Versucht ihn zu löschen.
    Sie haben daran gearbeitet, Anthonys auffälligste autistische Verhaltensweisen abzustellen, die selbststimulierenden, die ihn am meisten dabei behindern, zu funktionieren oder normal zu erscheinen. Das Händefuchteln ist das größte Problem. HÄNDE RUNTER. Das sagt Carlin jedes Mal, wenn er mit ihnen fuchtelt. Sie legt ihm die Hände an die Seiten, als Anreiz, und wenn er die Hände ruhig an seinen Seiten lässt, wenn auch nur für eine Sekunde, Pringle.
    Der genannte Grund dafür, das Händefuchteln zu »löschen«, lautet: Es ist eine Krücke. Anthony fuchtelt mit den Händen, anstatt zu reden, um zu

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