Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
Experten hatten den Wagen und den Fundort genauestens untersucht und dabei festgestellt, dass dieser nicht rückwärts in das Baggerloch gerollt, sondern mit dem Kühler zuerst hineingerutscht war. Durch das Nachwerfen der etwa 4000 Kubikmeter Schuttmasse in den Wochen zuvor hatte sich das Auto auf dem Grund der Kiesgrube um einhundertachtzig Grad gedreht. Der Wagen war im ersten Gang die Böschung hinunter ins Wasser gefahren oder geschoben worden.
Zudem war der Wagen kurz vor dem Sturz in den Baggersee beschädigt worden, und zwar am vorderen linken Kotflügel. Entweder resultierte der Schaden aus einem Unfall oder das Auto musste irgendetwas gestreift haben. Außerdem fehlte die zirka einen Meter lange verchromte Karosserie-Zierleiste der rechten Seite. Und es war festgestellt worden, dass die Opfer keinesfalls – wie ursprünglich angenommen – im Auto lebensgefährlich verletzt worden waren, sondern an einem anderen Ort. Andernfalls hätten sich im hinteren Bereich des Wagens entsprechende Blutspuren befinden müssen. Wilfried Mehnert hatte die Schläge auf den Vorderkopf erhalten, der Kopf seiner Verlobten wies hingegen nur Frakturen im hinteren Bereich auf.
Nach alledem musste zunächst Mehnert attackiert worden sein, und als Lieselotte Ingensandt angesichts dessen hatte flüchten wollen, war sie am Ärmel zurückgehalten und von hinten niedergeschlagen worden. Dazu passten auch die Reißspuren am linken Ärmel der Frau. Danach waren die Opfer in den Wagen gepackt worden. Kriminaltechniker hatten auf dem Boden des Autos handtellergroße Blutspuren gefunden, die geronnen waren – ein Beweis dafür, dass zwischen den Schlägen und dem Sturz ins Wasser »eine gewisse Zeit« vergangen sein musste.
Nur dieser Tatverlauf ließ sich mit dem »objektiven Befund« vereinbaren. Als Tatort kamen nur solche Örtlichkeiten infrage, die im Umkreis einer dreißigminütigen Autofahrt vom Kalkumer Baggerloch entfernt lagen. Diese Annahme stützte eine entsprechende Weg-Zeit-Berechnung, die auf Zeugenaussagen und rechtsmedizinischen Befunden fußte. Vermutlich war das Paar seinem Mörder in der Nähe des Restaurants »Schnellenburg« begegnet und auch schon dort von ihm attackiert worden. Denn in dieser Gegend hatte Mehnert häufig seinen Wagen abgestellt, wenn er mit einer Freundin intim geworden war.
Mit diesen Erkenntnissen wandte sich die Kripo an die Presse und erhoffte sich weitere Hinweise. In allen Düsseldorfer Tageszeitungen wurden die Bürger aufgerufen mitzuhelfen, den »Baggersee-Mord« aufzuklären. So schrieb die Neue Ruhr Zeitung:
»Zeugen gesucht!
Um die Aufklärung des Falles möglichst schnell voranzutreiben, bittet die Polizei 1. alle Gäste, die in der Nacht zum Allerheiligentag bei ›Csikós‹ zu Gast waren, 2. Personen, die auf der Straße eine verbogene Karosserie-Zierleiste irgendwo gefunden haben, 3. Personen, die über Lieselotte Ingensandt und Wilfried Mehnert oder deren Umgang etwas Näheres wissen, sich bei der Polizei zu melden. Wilfried Mehnert soll sehr oft ausgegangen sein und dabei viele Leute kennengelernt haben. – Der Polizeipräsident hat die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, auf 5000 D-Mark erhöht.«
Die exakte Tatzeit ließ sich zunächst nicht feststellen, obwohl beide Opfer noch ihre Armbanduhren trugen. Denn die Uhr von Lieselotte Ingensandt war schon einige Zeit vor dem Mord kaputt gewesen, die junge Frau hatte den Aufzug überdreht. Und Mehnerts Uhr war wasserdicht und hatte auch noch unter Wasser weitergetickt, bis sie abgelaufen war.
So mussten die Leichen ein weiteres Mal von Rechtsmedizinern untersucht werden, um den für die Ermittlungen eminent wichtigen Todeszeitpunkt bestimmen oder eingrenzen zu können. Professor Klaus Böhmer öffnete die Mägen der Toten und schloss aus »dem wenig fortgeschrittenen Verdauungsprozess«, dass die beiden »etwa eine halbe Stunde bis eine Stunde vor
ihrem Tod« noch etwas gegessen hatten. Der »Csikós«-Wirt bestätigte schließlich, dass die Opfer vor Verlassen des Restaurants gegen 23.45 Uhr noch zwei Portionen Gulasch bestellt hatten. »Der Tod kann folglich nur zwischen 0.15 Uhr und 0.45 Uhr eingetreten sein«, teilte Professor Böhmer der Kripo mit.
Die Mordkommission war damit einen wesentlichen Schritt vorangekommen und nachdem man den Freundes- und Bekanntenkreis von Lieselotte Ingensandt gründlich »ausgeforscht« hatte, glaubte man erste Umrisse eines Motivs zu erblicken. Bei den
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