Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
oder gesehen worden sein konnten. Doch ernteten die Fahnder nur Kopfschütteln und Antworten, die wenig oder nichts besagten. Niemand wusste etwas, niemand hatte etwas gesehen, niemand hatte etwas gehört.
In Reihen der mittlerweile 32-köpfigen Kommission wurde auch die Möglichkeit erörtert, dass der immer noch unaufgeklärte Überfall auf Dr. Stürmann und seinen jungen Freund und der Doppelmord von denselben Tätern verübt worden sein könnten. Man verwarf diese Hypothese schließlich, weil schon die Motive sich gravierend unterschieden. Während der Überfall aus dem Frühjahr 1953 »zweifelsfrei aus Habgier« passiert sein sollte und die Mörder als »junge Burschen mit wenig Erfahrung« eingeschätzt wurden, vermutete man im aktuellen Fall »einen tatauslösenden persönlichen Bezug zwischen Täter und Opfern«. Das passte einfach nicht.
Die Beamten sahen ihre Familien in den folgenden Wochen kaum noch, die Lichter in der dritten Etage des Polizeipräsidiums gingen nun auch nachts nicht mehr aus. Sämtliche »alten Bekannten«, denen auch eine solche Tat zuzutrauen war, wurden überprüft und verhört. Aber kein Krimineller konnte mit der Tat in Verbindung gebracht werden. Auch im Freundes- und Bekanntenkreis von Lieselotte Ingensandt gab es niemanden, den man aus gutem Grund hätte verdächtigen können. Insgesamt 83 Spuren wurden verfolgt – und jede führte nach wenigen Schritten ins Dunkel. Die Düsseldorfer Kripo jagte ein »Phantom«, das keine Spuren hinterließ, das sich auch innerhalb seines sozialen Umfelds höchst unauffällig und unverdächtig verhalten musste. Der Kripo waren die Hände gebunden. Was blieb, war die zwiespältige Hoffnung, dass der Mörder endlich einen Fehler machen würde – schlimmstenfalls bei seiner nächsten Tat.
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Er war beileibe kein eifriger Zeitungsleser. Doch das hatte sich grundlegend geändert, nachdem es passiert war. Jeden Artikel über den »Baggersee-Mord« hatte er sorgfältig ausgeschnitten und all jene Passagen mit einem roten Filzstift angestrichen, die ihm besonders wichtig erschienen. Auch an diesem Tag blätterte er wieder in seinem Journal des Grauens, und es bereitete ihm eine diabolische Freude. Leise begann er zu lesen.
»Brautpaar tot im Baggerloch. Hellblauer Ford mit zwei Leichen unter dem Wasserspiegel verborgen. Wagen des vermißten Bäckers verunglückt?« Verdammt! Perfekter Plan. Und dann so ein Mist. Konnte doch keiner damit rechnen, dass es nicht mehr regnet. Im November!
»Kein Unglücksfall! Kein Selbstmord! 3000 Mark Belohnung! Brautpaar im Baggerloch wurde ermordet. (…) Ärztliche Untersuchung ergab: Schläge auf die Köpfe und dann im bewußtlosen Zustand ertrunken.« Musste ja rauskommen, die sind ja nicht total blöd. »Da die Zahl der Vermißten, die wieder zum Vorschein kommen, im allgemeinen sehr hoch ist, hatte die Polizei auch in diesem Falle vermutet, daß sich die Abwesenheit des jungen Paares verhältnismäßig harmlos aufklären würde.« Genial. MEIN Plan. »Rätselhafter Fall war ein beinahe perfektes Verbrechen.« Was heißt hier beinahe! Schmierfinken!
»Nicht nur der Chef der Düsseldorfer Kriminalpolizei und der Leiter der Mordkommission, sondern auch der Polizeipräsident waren gestern bis tief in die Nacht im Polizeipräsidium beschäftigt. Ein auf der Polizeischule Hiltrup befindlicher Oberbeamter der Düsseldorfer Kripo wurde auf Anordnung des Innenministers telefonisch zurückbeordert und ist der Mordkommission zugeteilt worden.« Welch seltene Ehre! Der Herr Innenminister. Der Herr Polizeipräsident. Der Herr Oberbeamter. Die können doch aufbieten, wen sie wollen. »Die Düsseldorfer Kriminalpolizei steht vor ihrem schwersten Mordfall der Nachkriegszeit.« Wie wahr! Und an mir werdet ihr euch die Zähne ausbeißen!
»Das haben die Mörder verloren!
Die bisherigen Ergebnisse der schwierigen Ermittlungen zu dem Doppelmord an Wilfried Mehnert und Lieselotte Ingensandt sind in einem Bericht auf der Titelseite des heutigen Mittag wiedergegeben worden. Unser Bild zeigt (v. l. n. r.) Kriminalrat Dr. Wehner, Chef der Düsseldorfer Kriminalpolizei, Hauptkommissar Lemper und Polizeipräsident Dr. Klein. Hauptkommissar Lemper zeigt gerade eine von Sachverständigen verbogene Zierleiste der Tür eines Kraftwagens. Von dem Ford M 15, in dem die Leichen der beiden Ermordeten im Baggerloch bei Kalkum gefunden wurden, fehlt an der rechten Tür eine solche einen Meter lange, zwei Zentimeter breite und sechs Millimeter
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