Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
jetzt irgendwo die Beine vertrat. Denn so viel konnte sie erkennen: Der Wagen war offenbar leer. Ihr wollte nur nicht einleuchten, warum die Leute so etwas bei klirrender Kälte taten.
Sie beäugte das Auto unablässig und hoffte darauf, dass die merkwürdige Situation sich irgendwie aufklären, dass sie ein Stimmengewirr oder Schritte hören würde, dass die jungen Leute schließlich in den Wagen einsteigen und davonfahren würden. Aber es blieb still. Unheimlich still. Ursula Holtkamp war nicht ganz wohl zumute. Irgendetwas stimmte nicht. Aber sie hatte keine konkrete Vorstellung, sie plagte nur ein diffuses Gefühl – ein Hauch von Angst.
Bis zu ihrer Wohnung waren es vielleicht noch 600 Meter. Der Gang der jungen Frau wirkte jetzt hastig. Am liebsten wäre sie gerannt. Aber weil sie nicht wusste, wovor sie eigentlich davonlaufen sollte, kam ihr der Gedanke dann doch lächerlich vor. Als die Frau schließlich an dem Auto in etwa zehn Metern Entfernung vorbeilief, stockte ihr der Atem. Sie glaubte etwas gesehen zu haben – die schnelle, flüchtige Bewegung eines Menschen, irgendwo zwischen Wagen und Strohhaufen. Sie verharrte augenblicklich und starrte gebannt in die Dunkelheit. Plötzlich ein Geräusch; so, als wenn sich etwas bewegt hätte. Augenblicke später konnte sie ihn für einen Moment sehen. Es musste ein dunkel gekleideter Mann sein, der jetzt vermutlich hinter dem Heuhaufen verschwunden war. Genau hatte sie ihn nicht ausmachen können, weil sie zunächst in eine andere Richtung geschaut hatte. Ihr wurde heiß und kalt.
Ursula Holtkamp kniff die Augen zusammen, um mehr erkennen zu können. Doch jetzt sah sie nur noch die Umrisse des großen Heuhaufens, hinter dem sie die dunkle Gestalt vermutete. Instinktiv ging sie einige Schritte zurück. Ihr Puls raste, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte das beklemmende Gefühl, als würde sie beobachtet, als drohe Gefahr. Sekundenlang ließ sie genau jene Stelle nicht mehr aus den Augen, an der sie den unheimlichen Kerl zuletzt gesehen hatte. Sie wollte vorbereitet sein, wenn sie gemeint war, falls er sie angreifen würde. Schauerliche Bilder schossen der Frau durch den Kopf. Sie atmete so hastig, als würde sie spurten. Aber sie stand immer noch da und wagte nicht, sich zu bewegen. Sie war starr vor Angst. Als nach einiger Zeit jedoch immer noch nichts zu sehen und nichts zu hören war, überlegte sie kurz: Vielleicht hatte der Mann sie noch gar nicht bemerkt. Dieser Gedanke überzeugte die mittlerweile vollkommen verängstigte Frau, machte ihr neuen Mut.
Die ersten Schritte waren bedächtig, zögerlich. Dann rannte sie einfach los, ohne sich noch einmal umzuschauen. Als sie nicht mehr konnte und glaubte, in Sicherheit zu sein, stoppte sie und drehte sich um. Das Auto und die Strohmiete konnte sie nun kaum mehr ausmachen. Sie blieb für einige Sekunden stehen und hoffte, dass etwas passieren würde. Irgendetwas. Ursula Holtkamp wollte wissen, was da vor sich ging. Doch es blieb still, nichts rührte sich. Was der Frau eben noch immense Furcht eingeflößt hatte, erschien ihr nun harmlos, sogar friedfertig. Sie musste lachen. Alles hatte wieder seine Ordnung, und Ursula Holtkamp hatte überreagiert. So erklärte sie sich schließlich all das, was sie kurz zuvor erlebt hatte oder glaubte, erlebt zu haben. Ein Verbrechen? Hier in dieser Gegend? Undenkbar. Unmöglich. Beruhigt ging Ursula Holtkamp nach Hause.
Zehn Minuten später schlugen haushohe Flammen aus dem Strohschober.
Noch am selben Tag erschien gegen 10.30 Uhr Julius Dreyfuß im 2. Kriminalkommissariat des Düsseldorfer Polizeipräsidiums. Der 54-Jährige war Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden und teilte mit: »Mein Wagen ist mitsamt dem Fahrer verschwunden. Der Fahrer heißt Peter Seiffert, er ist als Kraftfahrer bei uns angestellt. Gestern sollte er den Wagen nach der Tagesfahrt in der Garage abstellen, die ist in Büderich. Er ist sehr zuverlässig. Bisher hat er sich immer jeden Morgen um 9 Uhr bei mir gemeldet. Nur heute nicht. Wir haben in der Garage nachgesehen, die ist leer. Ich habe auch bei Seifferts Wirtin angerufen, er hat ein möbliertes Zimmer in der Wetterstraße 24. Die Frau hat mir gesagt, dass er die vergangene Nacht nicht nach Hause gekommen ist. Ich vermute, daß irgendetwas passiert sein muss.«
Bei dem Wagen handelte es sich um einen viertürigen schwarzen Mercedes 170 S, Baujahr 1949/50, polizeiliches Kennzeichen R 209-448. Unverzüglich wurden
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