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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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Ausmaßen. Mit einem höhnischen Lachen tut er genau das, was verboten ist. E. erwies sich den Mitschülern gegenüber als unkameradschaftlich und tückisch. Er stiehlt und lügt und scheint außergewöhnlich raffiniert zu sein. Die Großmutter ist eine alte, kränkliche Frau, die den Jungen nicht zu bändigen weiß. Aber sie liebt ihn abgöttisch. Man sollte die Entwicklung von E. noch abwarten, bevor man ihn der Großmutter nimmt.«
    Er vergaß den Briefumschlag, mit verächtlicher Miene stopfte er das Schreiben wieder in den Karton. Wenig später ging er mit einer Scheibe Wurst in der Hand in den Keller und zog dort mit einer Spritze eine kleine Menge Zyankali auf. Dann lockte er seinen Hund zu sich hin, und als das Tier sich über die Wurst hermachte, injizierte er blitzschnell das Gift. Seine Augen begannen zu leuchten, als er den kurzen Todeskampf seines Hundes beobachtete.

18
    »Ich war mit meinem Freund im Habichtswald, ganz in der Nähe vom Brasselbergturm. Wir wollten dort ein Picknick machen und ein wenig schmusen. Plötzlich kam ein Mann aus dem Dickicht. Er stürzte sich sofort auf Jan. Bevor ich überhaupt merkte, was vor sich ging, war es schon passiert. Der Mann schoß Jan in den Hals. Mein Freund brach zusammen, er blutete heftig aus dem Hals. Ich bückte mich über ihn. Dann sah ich, wie der Mann auch auf mich anlegte. Ich begann zu schreien. Der Mann sprang auf mich zu und schlug mich mit den Fäusten ins Gesicht und in den Unterleib. Er brüllte immer wieder ›Verdammte Hure, du hast es nicht besser verdient!‹. Dann ist er über einen abgesägten Baumstumpf gestolpert und hat dabei seine Pistole verloren. Ich bin losgerannt und habe laut um Hilfe gerufen.«
    Stephanie Seeling hatte der Kripo geschildert, wie sie überfallen und ihr Freund getötet worden war. Horst Lemper saß an seinem Schreibtisch, rauchte und dachte über das Gelesene nach. Hinter ihm hing das Bild des Bundespräsidenten. Der Aschenbecher war mittlerweile zu klein geworden für die vielen Zigarettenstummel. Er legte das Vernehmungsprotokoll zur Seite. Die Kripo in Kassel hatte Unterlagen aus dem Verfahren »10 KLs 12/48« nach Düsseldorf geschickt. Denn dort war es den Ermittlern im Sommer 1948 gelungen, eine Reihe von Verbrechen an Liebespaaren aufzuklären. Die Kasseler Todesermittler hatten sich erst jetzt auf das Fernschreiben ihrer Düsseldorfer Kollegen gemeldet.
    Die Parallelen zu den Morden in Düsseldorf waren unübersehbar: Der Täter hatte junge Liebespaare in zwei Fällen attackiert, jeweils zunächst auf den Mann geschossen, dann das weibliche Opfer körperlich misshandelt. In beiden Fällen waren die Frauen nur deshalb mit dem Leben davongekommen, weil sie hatten flüchten können oder der Täter durch zufällig auftauchende Wanderer gestört worden war. Und der »Mörder vom Habichtswald« hatte aus genau jenem Motiv getötet, das die Ermittler auch bei dem »Liebespaar-Mörder« vermuteten.
    Oskar van der Floet, ein 22-jähriger vagabundierender Holländer, hatte sich kurz nach seiner Festnahme auch zu seinen Beweggründen geäußert. Lemper nahm das Protokoll zur Hand und begann zu lesen: »Ich habe die Trennung von meiner Freundin nie vergessen können. Sie war zierlich, schlank und hatte lange schwarze Haare. Sie ist einfach mit einem anderen Kerl durchgebrannt. Ich habe sie dafür gehaßt. Und den Kerl habe ich auch gehaßt. Irgendwann habe ich dann alle Menschen gehaßt, die sich lieben.
    Ich habe mich an die Pärchen herangepirscht, den Mann habe ich sofort beschossen. Mein Haß war einfach übermächtig, ich mußte es tun. Die waren so glücklich, und ich war so unglücklich. Immer wenn sich ein Paar vergnügte, kam der Haß. Ein Kuß oder eine Umarmung, das genügte schon, um mich wütend werden zu lassen. Ich konnte das einfach nicht ertragen. Immer die Gedanken an meine Freundin und die Schmach, die Enttäuschung. Dann habe ich meine Pistole aus dem Versteck im Wald geholt und habe mich auf die Suche gemacht.«
    Eigentlich hätte van der Floet als Verdächtiger gar nicht in Betracht kommen dürfen. Denn er war im Frühjahr 1949 als »alliierter Staatsbürger« von einem amerikanischen Militärgericht zum Tode verurteilt worden. Aber man hatte das Urteil nicht vollstreckt, sondern in eine Haftstrafe umgewandelt. Und als Horst Lemper jetzt aus den Akten erfuhr, dass dieser Mann im Zuge einer amerikanischen Entlassungsaktion irrtümlich auf freien Fuß gesetzt worden war, gab es plötzlich einen

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