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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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herumspazierte«. Da habe er auch schon einen in einem dunkelgrünen Kombinationsanzug gekleideten Mann vor sich hocken sehen, der »emsig etwas mit Gras zudeckte«. Dann sei der Fremde in Richtung auf ein im Wald parkendes Auto zugegangen, in dem ein Liebespaar gesessen habe. »Er ging in Indianerart, laufend und kriechend«, erklärte der Förster.
    Was er unter dem Gras versteckt habe, sei ein Motorrad gewesen (von dem behauptete Büning, dass er es zusammen mit Reichenstein geklaut habe, um einen geplanten Raubüberfall auf die Ortskrankenkasse in Düsseldorf verüben zu können – was Reichenstein als »ungeheure Lüge« zurückwies). Aber leider habe er den Fremden aus den Augen verloren und erst einige Zeit später wieder aufgestöbert. »Er tat auf harmlos«, fuhr der Zeuge fort, »und ich fragte ihn: ›Was machen Sie hier?‹ Da sagte er: ›Ich gehe spazieren.‹« Dann habe er den Mann festgenommen und später der Polizei übergeben.
    Danach berichtete der Polizist Karl Stratmann von seiner Begegnung mit Reichenstein im Wald bei Meererbusch und einem für den Angeklagten typischen Dialog:
    Frage: »Was wollten Sie mit der Pistole?«
    Antwort: »Ich wollte sie reinigen.«
    Frage: »Die ist doch geladen und entsichert.«
    Antwort: »Das stimmt.«
    Frage: »Eine gefährliche Waffe und ein Liebespaar in der Nähe. Was sagen Sie dazu?«
    Antwort: »Das passt ja wunderbar zusammen. Ich weiß, was Sie jetzt denken.«
    Frage: »Wieso?«
    Antwort: »Ich lese doch auch Zeitungen. Sie suchen den Liebespaar-Mörder. Wenn ich so ein brutaler Mensch wäre, hätte ich den Förster doch erschossen.«
    Als weiterer Zeuge wurde der Bürovorsteher der Firma, in der Reichenstein um die Zeit des beabsichtigten Raubüberfalls auf die Ortskrankenkasse gearbeitet hatte, von Dr. Näke kurz befragt.
    »Können Sie feststellen, ob der Angeklagte an diesem Tag gearbeitet hat?«
    »Reichenstein hat sonst regelmäßig gearbeitet – aber am 8. Mai 1956 ist hier ›entschuldigt gefehlt‹ eingetragen.«
    »Angeklagter, was sagen Sie dazu?«
    Reichenstein antwortete kühl: »Es mag stimmen, dass ich an diesem Tag gefehlt habe. Aber dann nur, weil ich mich nicht wohl fühlte.«
    Am Ende dieses Prozesstages war es der Staatsanwaltschaft erstmals gelungen, einen Indizienbeweis einwandfrei zu belegen. Es ging um das Motorrad im Meererbusch. Reichenstein war von dem Oberjäger Spath mit dem fraglichen Motorrad im Wald beobachtet worden. Der Angeklagte hatte sich zunächst mit der Behauptung aus der Affäre gezogen, er habe das Motorrad »gefunden«. Dagegen stand Bünings Aussage, wonach die beiden das Motorrad in der Nacht zum 8. Mai auf der Tußmannstraße in Düsseldorf-Derendorf gestohlen hatten, um damit den Überfall auf die AOK in Oberkassel begehen zu können. Der Besitzer des Motorrades hatte auch bestätigt, dass es tatsächlich auf der Tußmannstraße entwendet worden war. Und ein Polizeibeamter hatte schließlich ausgesagt, Büning habe nach seiner Festnahme den Tatort »ohne Hilfestellung« finden können. Damit war nachgewiesen, dass zumindest Büning bei dem Diebstahl mitgemacht hatte. Reichensteins Behauptung hingegen, dass er das Motorrad »zufällig in Büderich gefunden« habe, war damit zweifelsfrei widerlegt.
    Das zähe Ringen zwischen den Angeklagten und den übrigen Verfahrensbeteiligten um nahezu jedes Wort, jeden Satz, jedes Datum schlauchte auch erfahrene und sitzungs(schlacht)- erprobte Juristen. Permanent drohte die Gefahr, sich in dem dichten Gestrüpp widersprechender Aussagen, sich überschneidender Straftaten und mehr oder weniger brauchbarer Zeugenbekundungen zu verheddern, den Überblick zu verlieren. Wie mochte es da nur um die Amateur-Rechtsprecher bestellt sein, die Geschworenen! In jeder Mittagspause wurden sie zudem von wissbegierigen Journalisten bedrängt, belästigt, befragt. Und dann hörte man am Rande des Prozesses seltsame, befremdliche Dinge. So beispielsweise das biedere Eingeständnis eines Geschworenen, es falle ihm schwer, dem Verlauf der Verhandlung zu folgen – und dass er sich vornehmlich durch einschlägige Berichte der Bild- Zeitung auf dem Laufenden halte. Das war ein Besorgnis erregendes Alarmzeichen. War zu diesen Bedingungen überhaupt noch ein fairer Prozess zu gewährleisten?

33
    16. November 1959, siebter Verhandlungstag.
    Dr. Näke gab zu Beginn der Sitzung eine kurze Erklärung ab: »Meine Damen und Herren der Presse – Ich muss Sie bitten, die Wahrheitsfindung in diesem

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