Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
Wilfried Mehnert aus. Erstmals als Zeuge und nicht als Angeklagter. Büning wirkte wesentlich entspannter. In der Zwischenzeit war aus dem reumütigen und zaudernden Mittäter ein hitziger, manchmal frecher und vorwitziger Zwischenrufer geworden, der gar nicht mehr schuldbewusst, zerknirscht und verworren schien.
Er habe Reichenstein verschiedentlich abends zur Schnellenburg hinausfahren und nach Stunden wieder abholen müssen. Reichenstein habe »experimentieren« wollen und darauf bestanden, dabei allein gelassen zu werden. Einmal sei dies an einem Abend geschehen, an dem leichter Frost und starker Nebel geherrscht habe. Büning sei, nachdem er seinen Kumpan abgesetzt habe, »zur Pirsch gegangen«. Zwei Stunden später sei er am vereinbarten Treffpunkt erschienen, aber Reichenstein nicht. Büning habe es »nicht gewagt«, ohne ihn wegzufahren und deshalb gewartet. Im Morgengrauen sei Reichenstein plötzlich aufgetaucht und entgegen sonstigen Gepflogenheiten »außerordentlich heiter und liebenswürdig« gewesen. Büning ereiferte sich: »Er hat mich wie eine Frau behandelt.« Reichenstein habe ihm schließlich die geliehene P 38-Pistole zurückgegeben, die »total verdreckt« gewesen sei.
Der Zeuge äußerte seine damalige Vermutung: »Ich dachte, er hätte irgendetwas mit dem ›Leo‹ gemacht, ihn vielleicht umgebracht. Er hatte nämlich so kleine Blutspritzer im Gesicht.« Zu fragen habe er sich aber »nicht getraut«, sondern am nächsten Tag die Zeitungen durchgesehen. Doch da habe nur etwas von einem Überfall auf ein Mädchen in der Konkordiastraße gestanden, ein Verbrechen, das Reichenstein angeblich nicht begangen haben konnte. Seine Begründung: »Er hatte so schlechte Klamotten an, dass er damit nicht in die Stadt gehen konnte. Und außerdem passte die Täterbeschreibung nicht auf ihn.«
Staatsanwalt Scherf legte dem Gericht die von Büning genannte Meldung der Düsseldorfer Spätausgabe vor. Der Artikel stammte tatsächlich vom 2. November 1955.
Und Büning machte eine weitere interessante Aussage: »Kurz nach dieser Sache hat Reichenstein mir 300 Mark zurückgegeben, die ich ihm geliehen hatte.« War es jenes Geld, das Wilfried Mehnert geraubt worden war? Zumindest ein zeitlicher Zusammenhang war zu erkennen.
Der Vorsitzende fragte jetzt Reichenstein: »Angeklagter, haben Sie das alles mitbekommen, was Büning gesagt hat?«
»Natürlich.«
»Was sagen Sie zu Bünings Aussage?«
»Er lügt.«
Der Vorsitzende präzisierte seine Frage: »Was Sie zu den exakten Angaben Bünings sagen, möchte ich wissen. Er sagt nicht, dass Sie der Mörder sind.«
»Das zielt aber darauf hinaus. Nur aus dem Grunde, mir zu schaden, macht er solche Aussagen.«
Dr. Näke fragte weiter: »Waren Sie nicht wiederholt nachts mit Büning unterwegs?«
Reichenstein stand auf. Dann sagte er mit fester Stimme: »Das habe ich nie bestritten, aber ich habe mich nie von Büning abholen lassen. Die Aussage von Büning ist genauso eine Verleumdung wie alles andere auch. Ich habe niemals einen Menschen gemordet, noch habe ich die Absicht gehabt, einen Menschen zu morden. Büning sagt bewusst die Unwahrheit!«
Der Vorsitzende wandte sich dem Kronzeugen zu: »Stimmt das denn auch?«
»Ich habe hier schon mal gesagt«, gab Büning gereizt zurück, »ich bin kein Hellseher. Ich habe nur angegeben, was sich zugetragen hat.«
Nach diesem verbalen Scharmützel wurde ein 24-jähriger Fußbodenleger als Zeuge gehört. Er war mit dem inzwischen bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Halbbruder Reichensteins befreundet gewesen. Der Mann brachte mit seiner Aussage den Angeklagten mit dem Leichenfundort des Doppelmordes Ingensandt/Mehnert in Verbindung, als er berichtete: »Der Erwin hat mich mal mit in die Nähe dieses Baggerlochs genommen, wir wollten dort jagen. Ich bin mir sehr sicher, dass er die Gegend kennt.«
Wieder war man auf einen kleinen Teil des Ganzen gestoßen, das aber immer noch kein klares Bild ergab. Bisher existierten lediglich einige Indizien, die auf Reichenstein als möglichen Täter hinwiesen.
Dann kam der zweite Liebespaar-Mord zur Sprache. Die verkohlten Leichen von Helga Kortmann und Peter Seiffert waren am 9. Februar 1956 in einem niedergebrannten Strohschober in Lank-Ilverich gefunden worden. Nach Zeugenaussagen mussten die Opfer zwei Tage zuvor zwischen 22 Uhr und 24 Uhr getötet worden sein. Ein Kripobeamter erklärte, zum Zeitpunkt des Leichenfundes habe der Polizei bereits eine Anzeige eines
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