Der Liebespakt
daneben türmten sich benutzte Damastservietten, eine Visitenkarte war liegen geblieben und eine Lesebrille. Zuletzt war Espresso ausgeschenkt worden, in kleinen Mokkatassen aus dem späten 19. Jahrhundert. Jede dieser Mokkatassen prägte ein anderes Motiv. In einer der Tassen, sie war blau-weiß floral bemalt, war der Espresso erkaltet, ohne angerührt worden zu sein.
»Was sollte das ganze Theater? Was willst du von mir?« Georg hatte sich vor Toni aufgebaut. Sie konnte seine Wut körperlich spüren.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, hatte sie geantwortet. Das provozierte ihn natürlich noch mehr.
»Schau dir doch diesen Tisch an, diese verschnörkelten Kerzenleuchter, Tafelaufsätze, diese komischen …« - er griff zum
Tisch und hob eine der Mokkatassen hoch, in denen der Espresso serviert worden war. Leider war die Tasse noch halb voll und Georgs Griff schwungvoll, sodass er Sekunden später einen dunklen Kaffeefleck auf dem Smokinghemd hatte. »Scheiße«, brüllte er.
»Das sind Sammeltassen aus dem 19. Jahrhundert. Richtig teuer, denn jede Sammeltasse prägt ein anderes Motiv. Die Dame von Stand machte damals regelrecht Shopping-Jagd auf sie - je exklusiver, desto besser. Die, die du gerade in der Hand hast, ist aus der Schäferinnen-Serie. Echtes Meißner Porzellan«, dozierte Toni. Georg schaute seine Frau fassungslos an.
»Was redest du denn da? Schäferinnen-Serie? Toni, du konntest dieses alte Zeug nie leiden. Du hast immer gesagt, es sei überladen und kitschig.« Er stellte die Tasse wieder zurück.
»Womöglich habe ich mich vertan. Es ist kein Kitsch. Es ist gefühlvoll.«
»Gefühlvoll?!« Georg blieb nun wirklich der Mund offen stehen.
»Genau, gefühlvoll. Schau dir doch unsere Wohnung an - sie ist wunderschön, aber sie ist kalt. Ich weiß, ich selbst habe sie für uns eingerichtet. Jetzt leben wir wie in der Fotostrecke eines Hochglanzmagazins. Und weißt du, was das Schlimmste ist? Wenn ich in vier Monaten ausziehe, dann musst du nur einmal kurz durchwischen lassen und schon kann sofort die nächste Frau hier einziehen. Eine wie Karoline wird hervorragend hier oben aussehen. Sie passt viel besser hier rein als ich. Oder irgendeine andere hochgewachsene Blondine. Mir ist erst jetzt klar geworden, wie unpersönlich ich unser Leben eingerichtet habe. Und wie leicht ich es dir damit gemacht habe, mich zu entsorgen.«
»Ich kapiere kein Wort.«
»Ich hinterlasse mein Leben nicht so aufgeräumt, dass deine
Geliebte einfach in unser Design-Ehebett schlüpfen kann. Und sich an unseren Design-Küchenblock setzen kann, nachdem sie den Saft aus unserem Design…«
»… schon klar, schon klar«, unterbrach sie Georg ungeduldig. Dann fixierte er Toni scharf. »Du willst mir also drohen.«
Toni war noch so unglaublich gut gelaunt und champagnerselig. »Drohen, was für ein hässliches Wort«, flötete sie. Sie wollte weiterreden, doch Georg hatte sich in seinem Zorn schon etwas vom Tisch gegriffen. Es war ein schweres Weinglas aus geschliffenem Kristall. Toni sah es fasziniert an. Wie viel Arbeit damals in einem einzigen Glas gesteckt hatte.
»Spürst du, wie majestätisch schwer es in deinen Händen liegt?«, fragte sie versonnen. Sekunden später lag es hundertfach zersplittert auf dem Parkett. Der Knall des Aufpralls war laut gewesen, nachdem es Georg so kraftvoll auf den Boden geschmettert hatte.
»Hör mit dieser Scheiße auf, Toni. Vier Monate noch, dann gehen wir getrennte Wege. Bis dahin: Reiß dich zusammen!« Dann war er wutentbrannt an ihr vorbeigerauscht, hatte die Tür zum Gästezimmer noch lautstark zugeschmissen, und Toni konnte noch hören, wie er leise im Zimmer telefonierte. Sie war zurückgeblieben zwischen den Scherben. Komischerweise hatte das Hochgefühl nicht nachgelassen, sie war weder traurig noch geschockt. Im Gegenteil. Georg hatte zum ersten Mal, seit sie von der Affäre wusste, Gefühle gezeigt. Er war explodiert. Sie war auf dem richtigen Weg.
Beschwipst und hochzufrieden war sie bald darauf ins Bett gegangen. Der Abend war ein Sieg auf ganzer Linie. Georg hatte endlich kapiert, dass sie, Toni, sich nicht einfach so entsorgen ließ. Sie war keine Wegwerf-Ehefrau. Mit diesem Triumphgefühl war sie eingeschlafen, mit diesem Triumphgefühl war sie aufgewacht. Und es ließ auch heute Morgen im Büro nicht nach.
»Du wirkst ja wie frisch verliebt«, sagte Nola erstaunt.
»Nein, nur seit genau vier Jahren verheiratet. Heute ist unser Hochzeitstag.«
»Na, dann
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