Der Liebespakt
sollte ich wohl gratulieren«, sagte Nola zögernd, die selbst nicht verheiratet war und deshalb immer einen Stich verspürte, weil sie fand, sie wäre auch langsam an der Reihe. »Machst du mit Georg dann heute Abend noch etwas? Ihr geht sicher aus, diesmal nur ihr beide. Nettes kleines Restaurant, Kerzenschein, ein pakistanischer Rosenverkäufer …«
»Georg ist auf Dienstreise. Asien. Er kommt erst in einer Woche wieder«, sagte Toni. Als sie aufgestanden war, war Georg schon weg gewesen. Er saß längst im Flugzeug.
Vielleicht würde Georg ja auf seinem langen Flug nach Asien, wenn er angenehm ausgestreckt in seinem First-Class-Sleeper-Sitz lag und der Zorn verraucht war, an den Abend zurückdenken und dessen Schönheit wenigstens im Nachhinein erkennen. Womöglich würde er seine Meinung ändern und sich darüber klar werden, was Toni an diesem Abend wieder Einzigartiges geschafft hatte. Toni hatte als Gastgeberin ihre Gäste glücklich gemacht, das war weit mehr, als man von solchen scheinbar privaten, aber letzten Endes geschäftlichen Einladungen erwarten durfte. Georg hatte ihr so viel zu verdanken. Sein Erfolg wäre ohne sie nicht möglich. Sie hatte ihm beigebracht, was Stil war. Sie hatte ihn aus der Manager-Masse abheben lassen, ohne ihn und die anderen zu überfordern. Sie war bei ihm nie zu eigenwillig vorgegangen, sie hatte ihn im Mainstream belassen - allerdings am Rand, wo die Welt interessanter war als in der Mitte des Flusses. Genauso hatte sie die Wohnung eingerichtet. Durch sie hatte er ein repräsentatives Zuhause hoch über Berlin, wo er jederzeit Gäste aus dem In- und Ausland bewirten konnte. Sie hatte ihm erst die Form, den Stil, das Aussehen gegeben, die ihm jetzt ermöglichten, ganz nach oben zu kommen. Sie
war die beste Imageberaterin, die er jemals finden konnte. Und sie war eine Superehefrau.
»Toni!« Eine Stimme kam von weither.
»Antonia!« Die Tonlage der Stimme wurde schärfer. Irritiert schaute Toni auf ihre Hand, die noch auf der Maus lag, starrte in den Computerbildschirm, wo weiterhin der Innenausbauvorschlag für die Kosmetik-Lounge auf sie wartete. Wo war sie? Ach, genau, bei der Arbeit.
»Wirtschaftsprinzessin!« Jetzt sah sie am Computerbildschirm vorbei, direkt in den Glaskasten ihres Chefs. Es war klar, wer gerufen hatte.
»Hey, süße Dax-Schlampe. Hast du auch mal Zeit für mich, deinen Chef?« Anselm wollte mal wieder lustig klingen, aber er wusste nie, wann er Grenzen überschritt. Toni arbeitete jetzt schon drei Jahre in seinem Büro, und sie hatte ziemlich die Nase voll von ihm. Doch Anselm war nicht irgendwer, sein Büro war bekannt. Hier zu arbeiten war das ideale Sprungbrett für eine eigene Karriere.
Seufzend stand Toni auf und schlenderte zum Büro ihres Arbeitgebers. Sie hatte vor etwa zwei Jahren aufgegeben, Begeisterung für Anselm zu heucheln, was ihm nicht entgangen war. Anselm, ein reiner Machtmensch, schob Tonis wachsende Unabhängigkeit auf Georgs Erfolg. Er schien zu glauben, dass Toni nicht mehr so von ihm beeindruckt war, seitdem Georg zum »Economic Leader of the Year« gewählt worden war, weil er die »weichen Bereiche« seines Konzerns - beispielsweise was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf anging - reformiert hatte wie keiner zuvor. Er hatte dem Konzern regelrecht ein besseres, menschenfreundlicheres Image verpasst. Anselm, der alle seine Angestellten als seinen Besitz ansah, reagierte mit Neid auf Georgs Aufstieg, und Toni bekam das täglich zu spüren. »Wirtschaftsprinzessin« und »Dax-Schlampe« gehörten zum normalen
Umgangston ihres Chefs. Toni rächte sich, indem sie Anselm weitgehend ignorierte und, wenn überhaupt, betont desinteressiert mit ihm redete. Das machte ihren egomanischen Chef ganz verrückt. Anselm wusste allerdings genau, was für eine hervorragende Architektin Toni war. Und Toni sagte sich, ein Jahr noch, dann war sie vier Jahre im Büro. Danach sah ein Wechsel immer souverän und nie nach unfreiwilliger Kündigung aus.
»Mach die Tür zu«, sagte Anselm. Es war also wichtig. Toni setzte sich in den Besucherstuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches. Wie immer, fand es Anselm nicht nötig, seine Beine vom Tisch zu nehmen. Er schaute Toni kurz an, blickte dann aber wieder in seinen Computermonitor, wo in schnellem Takt immer neue E-Mails auftauchten, die er sofort öffnete. »Also …«, begann Anselm. Sein Handy machte ein SMS-Zeichen. Sofort griff er gierig danach, begann zu lesen, lachte laut und
Weitere Kostenlose Bücher