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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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antwortete dann mit überschallschneller SMS-Daumengeschwindigkeit.
    Toni saß dumm herum. So lief das immer. Ein Gespräch mit Anselm dauerte immer doppelt und dreifach so lange wie nötig, weil er gleichzeitig noch mit einem Dutzend anderer Leute kommunizierte. Toni beobachtete ihren Chef. Jedes Mal war sie wieder erstaunt, wie nett er aussah. Er war so ein Typ, den man gleich sympathisch fand. Lockige blonde Surfer-Haare, eine angenehme, nicht zu strenge Brille, etwas einnehmend Jungenhaftes im Gesicht, obwohl er schon fast vierzig war. Er trug wie immer Jeans und Turnschuhe, dazu ein weißes Hemd. Seine Figur war top, er trieb viel Sport. Nie hätte Toni gedacht, dass Inneres und Äußeres so weit auseinanderklaffen konnten. Anselm war nicht sympathisch, nicht angenehm, nicht jungenhaft, nicht einnehmend. Anselm war ein richtiges Arschloch. Toni fand, so ein Typ hätte auch ein Arschloch-Gesicht verdient. Aber so einfach war das Leben wohl nicht.

    »Pack deine Koffer, Toni. Du fährst nach Bad Salzuflen.« Anselm haute auf den Tisch, als sei das hier ein Schenkelklopfer.
    »Bad Salzuflen?«, fragte Toni irritiert.
    »Alte Kurstadt am Teutoburger Wald. Viele Rentner, Draußen-nur-Kännchen-Stimmung. Außerdem dieses Heuding, an dem man vorbeilaufen kann, um danach besser atmen zu können.«
    »Saline«, sagte Toni trocken. »Und zeig mir das Lokal, wo es draußen nur noch Kännchen gibt. Die Zeiten sind doch längst vorbei. Jetzt trinken alle Latte macchiato, selbst die Rentner.«
    »Egal«, Anselm winkte ab. »Pack deine Koffer.«
    »Wieso?« Toni fand die Frage durchaus angebracht.
    »Wir sollen das Kurhaus umgestalten. Ein kurzfristiges Take-over. Die Provinzarchitekten haben mal wieder total versagt. Wir müssen jetzt übernehmen. Möbel den alten Kasten ordentlich auf, Toni. Das kannst du ja ganz gut.« Er hatte sich inzwischen vollkommen von ihr abgewandt und beantwortete eine E-Mail. Außerdem klingelte jetzt sein Handy, er ging sofort ran und flachste eine Weile am Telefon herum. Toni blieb stur sitzen. So einfach konnte er sich das nicht machen.
    Anselm wusste genau, was er ihr gerade zumutete. Take-over. Sie konnte es kaum glauben, dass er es wieder getan hatte. Toni hasste diese Übernahmen. Anselm hatte nämlich eine besondere Masche in der Provinz. Wenn er wusste, dass irgendwo ein großer Auftrag vergeben worden war und die Umbauarbeiten schon angefangen hatten, dann fuhr er dorthin. Ganz zufällig lernte er den Bauherrn kennen oder den zuständigen Verantwortlichen, ganz zufällig kam man ins Gespräch. Anselm war ein interessanter und international bekannter Innenarchitekt und Designer. Warum ihm nicht schnell mal die Baustelle zeigen, ganz unverbindlich? Mal sehen, was er dazu sagte. War es so weit gekommen, hatte Anselm schon fast gewonnen. Er ließ
den Großstadt-Architekten heraushängen, machte deutlich, wie man es eigentlich hätte lösen müssen, nahm aber immer die »Kollegen aus der Provinz« in Schutz, denen es halt einfach an Erfahrung fehlte. Es waren mikrofeine Tropfen Gift, die er versprühte, nie so viel, dass der Bauherr merkte, wie er gerade manipuliert wurde. Und nach einigen Stunden hatte Anselm die Auftraggeber dort, wo er sie haben wollte: Sie bettelten, ob er den Umbau nicht mit seinem Team übernehmen könne. Aus den ursprünglichen Verträgen käme man schon wieder raus, man habe gute Anwälte am Start, und die bisherige Mängelliste sei lang. Klar, es gab immer eine Mängelliste, wenn man sie denn brauchte. Eine Baustelle ohne Mängel war ein Ding der Unmöglichkeit. Und schon hatte Anselm einen neuen, dicken Auftrag in der Tasche.
    Er zog diese Nummer des Ausstechens nur mit unbekannten, kleinen Provinzbüros durch. Die direkte Konkurrenz ließ er in Frieden. Das hätte ihm einen schlechten Ruf eingebracht. Anselm wusste genau, mit wem er was machen konnte.
    Und er stand am Ende nicht auf den Baustellen. Das waren dann Toni oder irgendeine andere Mitarbeiter-Sau. Alle vor Ort hassten einen, außer natürlich die Bauherren. Aber die örtlichen Handwerker, die Mitarbeiter der Verwaltung, die Chefs der umliegenden Baumärkte, sie alle wussten genau, was für eine Sauerei es gewesen war, der Architektur-Firma vor Ort mittendrin den Auftrag zu klauen. Und sie ließen es tagtäglich spüren.
    Anselm hatte das Telefongespräch beendet. Da Toni immer noch in seinem Büro saß, musste er wohl oder übel jetzt von ihr Notiz nehmen. Fragend und mit deutlich genervtem Gesicht schaute

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