Der Liebespakt
aus seiner bayerischen Heimat hier eingezogen - ein grober Kerl, der gerne Wurst und Fleischsalat aß, billig einkaufte und die Abende vor dem Fernseher verbrachte, wo er in die Eishockey-Decke gehüllt seine liebsten DVDs anschaute. Aber so war es nicht - Georg hatte all diese Spuren selbst hinterlassen, kein anderer. Seine Kulturschicht war dünn, unglaublich dünn. Eigentlich war er ein schlichter, schlauer Kerl aus dem Sägewerk, auch wenn er inzwischen den Unterschied zwischen thailändischem Basilikum und Betelblättern kannte. Fiel seine Ehefrau als privater Coach weg, dann ließ er sich wieder in die vertrauten Niederungen sacken, in denen er sich eigentlich wohlfühlte.
Sie hatte keine Lust, sich zu ärgern. Nicht schon wieder. Georg war weg, mal wieder auf Geschäftsreise, sie hatte die Wohnung für sich. Sie ging zurück zum Poststapel und durchwühlte ihn. Irgendwo musste die Einladung zum Ladys’ Lunch
doch sein. Georg hatte ihr gestern beim Abschied klargemacht, dass er ihre Anwesenheit dort erwarte. In den Augen der Ehefrauen der Vorstandsmitglieder sei sie, Toni, schließlich die zukünftige First Lady des Konzerns. »Es wird Zeit, dass du die Ladys bei Laune hältst. Vor einer solchen Wahl muss man nicht nur die Vorstände, sondern auch deren Ehefrauen hinter sich wissen.« Jetzt zog sie einen schweren eierschalfarbenen Umschlag aus dem Briefberg, dessen Papier sich besonders teuer anfühlte. Natürlich war er gefüttert. Die Einladung zum Ladys’ Lunch.
Der Termin war heute, das hatte sie schon gewusst. Aber so früh ging es schon los? Nervös schaute Toni auf die Uhr. Sie hatte nur noch neunzig Minuten Zeit, sich umzuziehen und dorthin zu fahren.
Toni hatte noch nie an einem Ladys’ Lunch teilgenommen, obwohl die Veranstaltung regelmäßig im Haus von Beate von Randow stattfand. Viele andere Ehefrauen im Konzern hätten sonst etwas dafür gegeben, nur um einmal dabei sein zu dürfen. Der Ladys’ Lunch war so etwas wie ein mächtiger Geheimclub der Ehefrauen und regierte die soziale Welt des Konzerns - hier wurde bestimmt, wer auf Einladungslisten kam, wen man als Hauptattraktion bei Galadiners einlud, wer den Zuschlag für das Catering erhielt und wo die alljährliche Konzernweihnachtsfeier stattfand. Toni hatte es nie bedauert, nicht dazuzugehören. Sie hatte höflich, aber bestimmt klargemacht, nicht an einer weiteren Einladung interessiert zu sein. Für einen Ladys’ Lunch, werktags, weit weg in Zehlendorf, hatte sie als Berufstätige überhaupt keine Zeit gehabt. Manche der Ladys hatten diese Zurückweisung von Tonis Seite als Hochmut ausgelegt. Erstaunlich, hatten sie mit falschem Bedauern in der Stimme getuschelt, dabei ist ihr Mann ein solches Talent im Vorstand.
Jetzt hatte Georg seine Frau auf die Gästeliste setzen lassen. Sie musste sich dort zeigen. Toni selbst war ganz entspannt. Es würde ein belangloser Treff werden: zehn, zwanzig gelangweilte Frauen, die sich schon mittags mit Champagner und geruchlosen Wodkacocktails die Kante gaben und sich dabei über die neuesten Schönheitstrends unterhielten, um dann per Handy wie jeden Tag das Au-pair loszuschicken, die Kinder aus der Schule abzuholen. Vollkommen harmlose Frauen, die von ihren Männern gepampert wurden und ihre Tage sinnlos auf Schönheitsfarmen verplemperten und das Geld in angesagten Kleidungsläden wie »The Corner« mit vollen Händen ausgaben, um danach ihrem Frisör den allwöchentlichen Besuch abzustatten. Toni würde eine Stunde bleiben und dann wieder gehen. Sie spielte in einer anderen Liga als diese Damenrunde.
Sie zog sich schnell um, denn die Fahrt dorthin würde eine Weile dauern. Über dem knielangem weinrotem Hängerchen aus Chiffon - das Weinrot passte eigenartig gut zu Tonis rotblonden Haaren - trug sie heute ein kleines Bolerojäckchen. Sie hasste eigentlich Bolerojäckchen. Aber so ein Bolerojäckchen schien ein Muss für echte Schwangere zu sein. Je dicker der Bauch, desto knapper das Jäckchen. Der untere Saum lag eine Handbreit unterhalb der Achselhöhle. Das Ding sah zu dämlich aus. Außer Schwangeren, deren Geschmackssinn neun Monate lang hormonell umnachtet zu sein schien, trugen nur spanische Flamencotänzer freiwillig Bolerojäckchen, kleine, klitzekleine Männer. Vielleicht hofften sie, das Kleidungsstück würde ihren zu kurz geratenen Oberkörper optisch strecken.
In ihrem knallgelben Kangoo fuhr Toni quer durch die Stadt. Die von Randows wohnten im Südwesten Berlins, dort, wo
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