Der Liebespakt
hatte ihren Platz eingenommen und sich mit dem ein oder anderen Getränk schon in Stimmung gebracht. Und dann wurde die Luke zum Terrarium geöffnet und, schwups, wurde sie, Toni, als Beute zum unterhaltsamen Fraß hineingeworfen. Womöglich würde das Treffen doch nicht so leicht werden.
Die Damen des Ladys’ Lunch standen locker in drei Gruppen im Raum verteilt. Wie viele mochten es sein - zehn, schätzte Toni auf den ersten Blick. Die meisten trugen Blazer, Bluse und Rock, manche war im Kostüm, keine einzige der Frauen trug eine Hose. Die Farben waren hell, oft cremefarben, schwarz kam nicht vor. Als hätten alle Tarnfarben angelegt, um chamäleonartig eins mit dem Wohnzimmer zu werden.
Denn das Wohnzimmer erinnerte an einen Wintertag in Saas Fee. Weiß, Creme, Beige, Sandfarben, Elfenbein, Chamois. Man stand auf sehr weichem Teppich, in den Tonis Peeptoe-Pumps mit jedem Schritt tiefer versanken. Es war, als liefe man durch Neuschnee, zumal der Teppich den bläulichen Weißton einer Skipiste im Mondlicht hatte. Mehrere Sitzgruppen fanden sich im Raum, schwere Sofas und Sessel, in Cremeweiß gehalten auch sie, darauf stapelten sich Kissen mit üppigen Versace-Ornamenten. An den wandgroßen Bungalowfenstern
hingen schwere, geraffte Vorhänge, gehalten von dicken goldenen Kordeln. Couchtisch und Esstisch hatten Glasplatten und goldene Beine. Toni erkannte die beiden Tische, ein Möbelklassiker der frühen 70er-Jahre, der nie wieder hergestellt worden war. Sie hatten inzwischen Sammlerwert.
Ein Kellner kam herbeigeeilt, um diese Mittagszeit schon im schwarzen Anzug mit Fliege, und hielt Toni ein Tablett mit Champagner und Campari-Orange hin. Toni griff dankbar zu. Doch kaum hielt sie das Champagner-Glas in der Hand, wurde es ihr sehr bestimmt von Beate von Randow abgenommen.
»Na, na. Wir wollen doch nicht die überdurchschnittliche Intelligenz ihres ungeborenen Kindes auf den deutschen Pisastandard heruntertrinken, oder?«, sagte sie und hob mahnend den Zeigefinger. Toni bekam einen Orangensaft in die Hand gedrückt. Sehnsüchtig schaute Toni dem Champagner hinterher, während Beate von Randow sie sanft in Richtung der ersten Gesprächsgruppe zog.
»Jetzt sind Sie also eine von uns«, begrüßte sie Lilly Putkammer, die heute kein grelles Grün, sondern ein sanftes Winterkaninchenweiß trug. Ihr hämischer Ton war nicht zu überhören.
»Dass Sie mal hier landen, hätte ich gerade bei Ihnen , Toni, nicht gedacht«, ergänzte Ludmilla Bense, die Frau des Betriebsratschefs, bissig.
»Sie waren ja immer so eine Arbeitsbiene. Summ, summ, summ«, ließ sich spitz von Sophie Rosenstätter vernehmen, die Frau des gefallenen Kronprinzen.
»Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich es so unumwunden sage«, fuhr Ludmilla Bense fort, »eigentlich hatte ich erwartet, Sie halten es wie diese ganze Doppelnamenbrut: schwanger, Kind kommt, zwar ist danach beruflich irgendwie der Ofen
aus, aber man rettet sich ständig in wahnsinnig tolle Projekte.« Ludmilla Bense dehnte affektiert das Wort »Projekte«.
»Ha, die Projekte kenne ich. Das gemeinsame Ferienhaus in Südfrankreich neu einrichten. Oder in New York beim Weihnachtsshopping den passenden Aktenkoffer für ihn besorgen.« Sophie Rosenstätter klang zornig.
»Und dann hier rumstehen, mit einem Drink in der Hand und sich wichtigmachen. ›Ich bin jetzt Innendesignerin.‹ Oder: ›Ich kümmere mich um das Image meines Mannes‹«, ergänzte Ludmilla Bense.
»Diese jungen Frauen neigen zur Wichtigtuerei. Aber Sie, Antonia, Sie scheinen eine Ausnahme zu sein. Sie bekennen offen: Ich bin ab jetzt eine Hausfrau.« Nun mischte sich auch die Gastgeberin, Beate von Randow, ein.
»Toll«, sagte Ludmilla Bense anerkennend. Einige der umstehenden Damen klatschten verhalten in die Hände.
»Also, ich hänge das eigentlich nicht so gern an die große Glocke«, sagte Toni irritiert.
»Jetzt sind Sie aber zu bescheiden. Als neue Schirmherrin des Deutschen Hausfrauenbundes sollte man deutlich offensiver auftreten«, Lilly Putkammer konnte sich ein höhnisches Grinsen nicht verkneifen.
»Gerade in der heutigen Zeit«, setzte Beate von Randow nach. Ihr maskenhaftes Gesicht zeigte keinerlei Regung. Schwang da eine gewisse Häme in der Stimme mit?
»Ich bin …«, Toni drohten kurz die Gesichtszüge zu entgleiten, aber sie kriegte ihre Mimik schnell wieder in den Griff. Was stand in dem Deal mit Georg? Sie musste ein Ehrenamt übernehmen. Ein ganz bestimmtes Amt, weil es für den
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