Der Liebespakt
Blick ab, während Mrs Cameron sich gierig Reste von Erdbeermarmelade von ihren kurzen, dicken Fingern leckte.
Da schwang mit einem Ruck die Flügeltür zum Garten auf.
„Lord Rutherford!", rief die Frau des Pfarrers erstaunt aus und hielt sich entsetzt die Hand vor den Mund.
Caroline blickte sich um und sah, dass ihr Gatte trotz der Kälte nur mit Hosen und einem lockeren Hemd bekleidet war, das zudem aufgeknöpft um seinen entblößten, verschwitzten Oberkörper hing. Schmutz klebte an seinen Stiefeln.
Unbeweglich verharrte sie auf ihrem Stuhl, weil sie nicht wusste, was ihr nun bevorstand. War Magnus ihr schon vor seinem Hassausbruch unberechenbar erschienen, so war er ihr in den letzten Tagen erst recht ein Rätsel gewesen. Unablässig beobachtete er sie, manchmal mit einem sanften Verlangen im Blick, manchmal mit einer Härte, die seine Augen wie Smaragde blitzen ließ, aber kaum je sprach er mit ihr, und er hatte sich ihr auch nicht wieder genähert.
„Magnus", begrüßte sie ihn schließlich zögernd und erhob sich. „Du erinnerst dich doch an Mrs Cameron?"
Eines seiner charmantesten Lächeln erhellte sein attraktives Gesicht. Er kam näher, nahm die Hand der Pfarrersfrau und beugte sich darüber. „Aber natürlich! Mrs Cameron, wie geht es Ihnen? Welch Freude, Sie hier in meinem Wohnzimmer in Gesellschaft meiner Frau wiederzufinden."
Caroline war beruhigt. Er hatte sich offenbar entschieden, charmant zu sein. Doch als er sie mit einem vergnügten Funkeln in den grünen Augen ansah und übermütig lächelte, war sie sofort gewarnt. Bevor sie sich wieder hatte setzen können, war er mit wenigen Schritten an ihrer Seite, fasste sie um die Taille und presste ihr, nach einem kurzen, an die Gattin des Reverends gerichteten „Sie erlauben, dass ich auch meine Frau begrüße!", einen leidenschaftlichen Kuss auf den Mund. Die arme Mrs Cameron erstickte fast an ihrem Scone, als sie Zeugin einer Intimität wurde, die dem Schlafzimmer weitaus angemessener war als der Öffentlichkeit des Wohnzimmers. Den Kopf hebend, sah der Earl seinen Gast an. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, Mrs Cameron. Ich war im Garten. Das Wetter ist wirklich ungewöhnlich kalt."
„Ja, es ist erschreckend kalt, Mylord." Sie wischte die Hände an ihrer Serviette ab, eine Geste, die sie nervös und hektisch wirken ließ. „Sicher haben Sie im Garten gearbeitet, nicht wahr?"
„Ja. Nichts ist so wohltuend wie frische Luft. Ein Spaziergang durch den Park zum Pfarrhaus ist sicher wundervoll." Immer noch hatte er einen Arm um Carolines Taille gelegt, sodass diese weiterhin stehen musste. Die Frau des Pfarrers sah sich gezwungen, ihren Teller abzusetzen und sich ebenfalls zu erheben. Nach einigen weiteren Höflichkeitsfloskeln verkündete sie, nach Hause gehen zu müssen.
Magnus machte keine Anstalten, sie aufzuhalten, und sagte ihr Lebewohl. Seine Frau geleitete Mrs Cameron hinaus, während er sich in einem der frei gewordenen Stühle
niederließ und sich von den Resten des Gebäcks bediente.
Als Caroline ins Wohnzimmer zurückkehrte, blieb sie auf der Türschwelle stehen und stemmte die Hände in die Hüften. „Und - bist du zufrieden mit dir?", fragte sie mit ruhiger Stimme.
Magnus lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. „Ja, das bin ich. Die Zitronentörtchen sind köstlich." Er nahm noch eins.
Wütend runzelte sie die Stirn. „Ich bin versucht, dir das Zeug in die Haare zu schmieren!"
„Ich werde allmählich besorgt, Liebste, da du momentan so oft Gewalt predigst." Caroline ließ sich nicht beirren. „Warum hast du Mrs Cameron das angetan? Sie ist eine nette Frau."
Magnus zuckte die Schultern. „Sie ist langweilig."
Caroline sah ihn verächtlich an. „Nein, Magnus, du bist der Langweiler. Kannst du eigentlich auch etwas anderes, als dich ekelhaft zu gebaren?"
„Sorg dich nicht, Liebste - du wirst meine Gesellschaft nicht sehr viel länger ertragen müssen. Ich bin ein sterbender Mann."
Verletzt drehte sie sich um, eilte in ihr Zimmer und warf die Tür so heftig zu, dass er es noch unten hören musste.
Früher Schneefall kündigte Anfang November einen harten, kalten Winter an, und weil die Straßen nach nächtlichem Schneefall unpassierbar waren, saß David für drei Tage auf Hawking Park fest. Magnus' Reizbarkeit führte in diesen Tagen mehr als nur einmal zu Streitereien zwischen den Brüdern, lautstarken Streitereien, bei denen die zornig erhobenen Männerstimmen in den langen
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