Der Liebespakt
um. Da merkte er das erste Mal, dass die Waterford-Schüssel fehlte. Er hätte ihr Verschwinden nicht bemerkt, wenn David sie nicht erst ein paar Tage vorher erwähnt hätte. Auch die Meissener Porzellandame war fort. Dass gleich zwei Dinge auf einmal so plötzlich fehlten, ohne dass es eine Erklärung dafür gab, war mehr als nur ein Zufall. Seit dem Tod seiner Mutter vor vielen Jahren waren all diese Dinge unbeachtet in diesem Raum geblieben.
Er ging zu Caroline zurück, die sein Bruder gerade mit einem billigen Scherz zum Lachen gebracht hatte. Wütend kniff er die Augen zusammen. Würden sie auch am nächsten Weihnachtsfest, wenn er nicht mehr unter ihnen weilte, zusammen feiern und lachen? Würde David dann im Herrenschlafzimmer liegen und Caroline in ihrem
- und würde die Verbindungstür zwischen den Räumen offen stehen, so wie jetzt?
Als Caroline Magnus'Blick begegnete, wich die Freude aus ihrem schönen Gesicht. Besorgt fragte sie: „Stimmt irgendetwas nicht? Fühlst du dich nicht wohl?"
„Nein", sagte er und zwang sich, sie anzulächeln. „Mir fehlt nichts. Aber es ist spät -wollen wir zu Bett gehen?"
„Gern", stimmte sie ihm zu und hakte sich vertrauensvoll bei ihm unter. Schmerzlich wurde ihm bewusst, wie undankbar er ihr gegenüber in Gedanken gewesen war. Diese Frau würde nie etwas tun, was ihm Kummer bereitete. Sie hatte ihm sogar ihre Liebe eingestanden.
Auf dem Weg nach oben entspannte Magnus sich etwas. Er nahm sich vor, in Zukunft seinen Argwohn mit dem Gedanken in Schach zu halten, dass Caroline absolut vertrauenswürdig war und nichts getan hatte, um ihn zu täuschen. Sie war rein und ehrenwert. Das wusste er.
Am Abend des nächsten Tages hatte Magnus einen leichten Herzanfall. Caroline blieb an seiner Seite, hielt seine Hand, während er schlief, und wachte für den Fall,
dass sich sein Zustand verschlechterte.
Als David ins Zimmer kam, legte sie einen Finger an die Lippen und flüsterte: „Er schläft."
„Geht es ihm gut?", wisperte David.
„Er ist schon auf dem Weg der Besserung. Der Anfall war nicht schlimm."
„Dem Himmel sei Dank." David schwieg eine Weile. Schließlich räusperte er sich und sagte: „Ich weiß, dass es als unmännlich gilt, Gefühle zu äußern - aber ich liebe ihn. Für mich ist er mehr als nur ein älterer Bruder. Ich habe ihn verehrt, als ich klein war, und ich schaue immer noch zu ihm auf." Er ließ die Schultern sinken. „Ich ertrage es nicht, ihn so krank zu sehen, Caroline."
Sie stand auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ach, David, grämen Sie sich nicht so. Es wird alles gut werden."
Einen schmerzlichen Ausdruck in den braunen Augen, sah er sie an. „Können Sie mir das versprechen?" Dann schüttelte er ihre Hand ab und begann, unruhig auf und ab zu gehen, die Stirn sorgenvoll gerunzelt.
„David?" Vom Bett her klang schwach Magnus' Stimme.
David richtete sich auf und hielt kurz inne, bevor er sich umdrehte. Caroline war sehr überrascht, ein strahlendes Lächeln auf seinen Lippen zu sehen, und fand es rührend, dass er sich so viel Mühe gab, seinen Kummer zu verbergen.
„Fühlst du dich besser, alter Knabe?", erkundigte er sich.
„Bist du immer noch da?", krächzte Magnus tadelnd. Caroline hielt dem Kranken eine Tasse Wasser an die Lippen, von der er gierig trank.
„Ich bin beim Packen. Bin nur gekommen, um dir auf Wiedersehen zu sagen." Magnus zog spöttisch einen Mundwinkel hoch. „Ich möchte natürlich auf gar keinen Fall, dass du nur meinetwegen irgendwelche aufregenden Partys in London verpasst."
„Das dachte ich mir." David ging zur Tür.
Caroline setzte die Tasse ab und fragte leise: „Musst du wirklich schon so bald wieder weg?" Ihre Stimme hatte einen bittenden Unterton.
„Ja", antwortete er scharf.
Viele Leute konnten mit Krankheiten und Kranken nicht umgehen, das wusste Caroline. Es machte sie nervös, daran erinnert zu werden, dass auch sie verletzlich und sterblich waren. Leider gehörte auch Magnus' Bruder zu diesen Menschen. Immer, wenn Magnus einen Anfall erlitt, verschwand er. Vielleicht sollte sie mehr Verständnis für seine Gefühle aufbringen. Doch sein Verhalten machte sie wütend. Man konnte geliebte Menschen doch nicht wegen eigener Angstgefühle im Stich lassen!
Als sie an James dachte, sprach sie ein stummes Gebet dafür, dass es ihm in diesen Tagen gut gehen möge. Ihre Mutter hatte sich im letzten Brief für die großzügige Summe bedankt, die Caroline geschickt hatte, und
Weitere Kostenlose Bücher