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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Das wäre doch eine Gelegenheit, in Zürich Station zu machen. Bitte melden. Und schließlich lag, nach den unerklärlichen Gesetzen der Akkumulation, zwischen den üblichen Rechnungen und Kreditkartenbelegen und Auszügen der Schweizer Verbrecherbank auch noch eine Postkarte von der Nasenring-Tina aus Indonesien. Viktor verbat sich, die Schrift kindlich zu finden. Zum Teufel mit den interessanten Schriften intellektueller Prachtweiber! Tina schrieb: »Tausend Küsse vom Kurzurlaub in Bali… Habe ich dir erzählt, daß ich in einem Reisebüro arbeite… Ich bekomme manchmal auch Freitickets! Am Dienstag, den 11., lande ich in Zürich. Ich ruf dich dann an. Deine Tina. – P.S. 1: Hast du schon einen Nasenring und ein Kettchen für uns? Das erwartet deine Sklavin Tina. P.S. 2: Das Gedicht soll fertig sein, wenn ich komme!«
    Viktor atmete tief durch. Gut, daß Ellen diskret war. Andererseits war der Text auf der Postkarte von einer berückenden Unschuld. Viktor raffte die Post und die Zeitungen zusammen und entfernte sich nun doch Richtung Arbeitszimmer. »Hast du vergessen, daß du ein allerliebster Ehemann sein wolltest«, sagte Ellen. Er hatte ihr am Sonntag beim Essen von seinen literaturgeschichtlichen Forschungen erzählt. Nun kam er sofort mit seinem Post- und Zeitungsstapel, den er wie eine Beute hatte in Sicherheit bringen wollen, zu Ellen ins Wohnzimmer zurück und sagte mit gespielter Reue: »Darf ich dir einen Tee kochen, Schatz? Oder soll’s gar ein Fläschlein Rotwein sein?«
    »Sei nicht albern«, sagte Ellen, »ich gehe mit Barbara ins Kino – Nachtvorstellung. Sie stellt mir ihren neuen Freund vor, ein Künstler, nicht sehr erfolgreich, aber angeblich zauberhaft. Und nachher werden wir sicher noch in einer Hotelbar abtauchen.«
    »Das ist nicht wahr«. Viktor verlor einen Augenblick die Fassung. Verschiedene Gefühle überwältigten ihn gleichzeitig und von verschiedenen Seiten. Da war einmal der erfolglose Künstler, an den er erst vor zwei Stunden gedacht hatte. Diese Duplizität allein aber war noch nicht alles. Dann war da auch das durchaus bittere Gefühl des Ausgeschlossenseins. Er wäre gerne mit in diesen Film gegangen. Das waren die Nachteile der manchmal segensreichen Informationslücken in seinem Leben mit Ellen. Und schließlich war da auch ein Triumphgefühl: Wenn Barbara, die ihn einmal mit Susanne in ein Züricher Hotel hatte verschwinden sehen und in der er seitdem eine heimliche, aber immerhin dichthaltende Gegnerin seiner polygamen Umtriebe sah, sich nun einen Geliebten zugelegt hatte, dann würde vielleicht Ellen endlich nachziehen, und endlich, endlich würden die wohlverdienten paradiesischen Zustände auf Erden einkehren. Ausgleichende Gerechtigkeit nannte man das.
    »Wie ärgerlich« sagte Viktor, »in den Film wäre ich auch gern gegangen.« Auch mit Erstehefrau Ella hatte es solche Situationen gegeben. Ella hätte gesagt: »Dann komm doch mit!« Ellen sagte das nicht. Viktor hatte immer für das Eigenleben der Ehepartner plädiert und eine Ehefrau gesucht und gefunden, die eigene Wege ging – und manchmal, so wie jetzt, litt er darunter. Wenn Ellen ihn nicht fragte, ob er mitgehen wolle, dann hatte sie ihre Gründe. Es wäre gegen die ungeschriebenen Spielregeln ihrer Ehe gewesen, sich einfach anzuschließen, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. Er würde Ellen nicht einmal mit der Frage in Verlegenheit bringen: »Habt ihr etwas dagegen, wenn ich mitgehe?« Unvorstellbar! Grotesk! Viktor war kein bettelnder Hund. Wenn ihn die Tscherkessin am Telefon als Hund bezeichnet hatte, dann hatte sie dafür ihre subtilen erotischen Gründe.
    Er machte jetzt doch eine Flasche Wein auf. Und goß zwei Gläser in sich hinein. Ellen nippte nur, weil sie Angst hatte, müde zu werden und im Kino einzuschlafen.
    »Erzähl mir bitte den Film und erzähl mir von Barbaras Lover«, sagte Viktor. Die zehn Minuten, bis Barbara klingelte und Ellen aufbrach, waren so etwas wie Eheglück. Eine Zigarette lang. Viktor rauchte noch immer, weniger weil es ihm schmeckte, sondern eher, um noch mit voller Berechtigung den Ausdruck »eine Zigarettenlänge« benutzen zu können. Er drehte seine Zigaretten selbst: dünn, fest und nur wenig qualmend. Er zog kaum an ihnen, und sie gingen oft aus. So konnte eine Zigarettenlänge bis zu zwanzig Minuten dauern. Wie liebte er Ira, wenn sie meinte, er solle jetzt besser gehen, und er dann ruhig seine Sachen zusammensuchte, wohl wissend, daß ihn Ira, die

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