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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Liebesleben wichtiger, würden sie schon aus Egoismus weniger aggressiv und verheerend sein. Jetzt aber hatte Viktor Angst. Von ihm aus hätte Penelope drei prächtige Urs-Männer heiraten können. Aber was, wenn die Ehefrau Penelope nichts mehr von ihm würde wissen wollen? Wenn sie seine Briefe würde nicht mehr bekommen wollen?
    Viktor druckste herum. »Kann ich dir nach deiner Hochzeit noch schreiben?«
    »Bist du wahnsinnig!« Erstmals strahlte Penelope nicht, sie funkelte gefährlich. Sie war stehengeblieben und schaute ihn fremd an. Also doch. Doch nur ein Traum alles. Sie war konventioneller, als er gedacht hatte. Er kannte sie ja kaum. Vielleicht war sie christlich über beide Ohren. Es war keuschen Christinnen vermutlich nicht verboten, sich vor der Hochzeit von Poeten nette Liebesbriefe schreiben zu lassen. Ein bißchen voreheliche Erotik dürften mittlerweile schon die finstersten Katholiken ihren Schäflein gönnen. Viktor hatte also Wochen und Monate lang eine keusche sportliche Jungfrau erheitert, die nun unbefleckt in irgendeinem schnuckeligen schweizerischen Kirchlein das heilige Sakrament der Ehe in Empfang nehmen, in den nächsten zwanzig Jahren zwanzig Kinder auf die Welt bringen und Viktor zu Weihnachten eine Grußkarte schicken würde. Sie hatte sich gelabt an seinen Briefen, das schon, sie hatte jeden Morgen Hunderte von warmen oder auch mal heißen Worten auf ihren anbetungswürdigen Körper plätschern lassen und hatte ihm ganz offen und unwiderstehlich ehrlich ihr Vergnügen an der Erfrischung mitgeteilt, die er ihr mit seinen Briefen fortwährend bereitet hatte – aber damit war nun ein für allemal Schluß.
    »Bist du wahnsinnig!« sagte sie noch einmal. Sie fauchte fast. Vorbei aus Ende. Tot sein, tot sein, tot sein, so bald wie möglich tot sein, wollte Viktor. Er würde die Hochzeit abwarten, sie sollten glücklich feiern, er war kein Spielverderber, es traf sie keine Schuld, er hatte keinen Groll, er hatte einfach alles falsch gesehen, falsch gedeutet. Einige Zeit nach dieser Hochzeit würde er auf einen hohen Berg gehen, allein, ohne Penelope, ohne ihr einen Brief mit dunklen Andeutungen zu schreiben, der womöglich eine Suchaktion samt peinlicher Rettung bewirken und die Qual eines Lebens ohne sie nur verlängern würde. Ellen würde einen anständigen unsentimentalen Brief von ihm bekommen. Fertig. Dann nichts wie hoch ins ewige Eis, dachte Viktor, ein Fläschchen Wein gurgeln, und weg mit mir. Wer sein Leben alternativlos auf die Liebe ausrichtet, der mußte irgendwann scheitern. Es war erstaunlich lange gutgegangen, Viktor war vierundvierzig. Er wollte nicht mehr. Nicht ohne Penelope.
    Sie schüttelte traurig ihren schönen Gazellekopf, trat auf ihn zu und hämmerte mit den Fäusten auf seine Brust: »Du schreibst mir, du schreibst mir, du schreibst mir weiter, Stambecco, hörst du, weiter, weiter, weiter, ich brauche das doch!«

    Die Schutzhütte, die Viktor gesucht und nicht gefunden hatte – Penelope wußte, wo sie war. Es war ihr Reich hier oben. Die Hütte lag zu dreiviertel unter Schnee. Er hatte sie übersehen. Sie hatte hier genächtigt. Allein. Sie bog sich vor Lachen, schrie plötzlich »Yeah!« und schlug übermütig in die Luft. Viktor sah diesen Temperamentsausbruch, den er nur aus ihren Briefen kannte, zum ersten Mal. Er war beeindruckt. Dann umarmte sie ihn und gab ihm einen fetten Kuß. Der erste Gazellenkuß. »Dafür, daß du die Hütte nicht gefunden hast«, sagte sie.
    Es wäre ein Jammer gewesen, wenn sie sich schon am Vorabend des 8. Mai hier getroffen hätten. »Auf dem Gipfel war es viel cooler«, sagte Penelope. Er erinnerte sie daran, daß sie sich fast in seiner Wohnung getroffen hätten, damals, als sie Ellen besucht hatte. Auch ein Beinahezusammenstoß. »Das ist was anderes«, sagte sie und kochte einen Tee. Als sie ihn tranken, boxte sie ihn plötzlich. »Hey, das war frech«, sagte sie. Viktor hatte sie in einem seiner Briefe als »süße Kräuterteetrinkerin« beschrieben, der man nicht zutraut, daß sie wie eine Wilde nach Rockmusik herumspringt. »Ich war drei Tage beleidigt«, sagte sie.
    Es war kalt in der Hütte, man konnte nicht heizen. Es gab nur eine Kerze. Als es dunkel wurde, legten sie sich hin. Sie rückten zusammen. Er griff nach ihrer Hand. Ihre Finger verschränkten sich. Ab und zu drückte einer die Hand des anderen. Vor lauter Glück wagte Viktor keine weitere Bewegung.
    Lange lagen sie so.
    »Hast du vergessen, daß du mein

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