Der Liebessalat
einen erneuten Kinobesuch zu riskieren.
Damals, in diesen von Aza bestimmten Tagen, war ein neues Buch von Viktor herausgekommen, ein Band mit Erzählungen, die aus dem Überschuß eines Romans entstanden waren, den er ein Jahr vorher veröffentlicht hatte. Leuten aus der Literaturbranche seine Bücher zukommen zu lassen, war ein kindisches Unding, eine Anfängerschwäche. Kein Mensch, der in einem Verlag oder einer Kulturredaktion arbeitete, nahm freiwillig ein Buch zur Hand. Viktor aber konnte es diesmal nicht lassen, zu vielfach schienen ihm die Bezüge. In einigen Geschichten erkannte er die Unarten Azas wieder, die er doch erst vor kurzem kennengelernt hatte, und auch seine eigenen Dummheiten und Großspurigkeiten. Den Roman vom Vorjahr packte er auch dazu, weil da ein Mann vorkam, der sich einer Frau mit jenen spanischen Sätzen zu nähern versuchte, mit denen er Aza beeindruckt hatte. Er kreuzte die Stelle an, und steckte die Bücher in einen Umschlag. Das müßte Aza amüsieren.
Er kündigte ihr seine Sendung an. »Eilt nicht«, ließ ihn Aza wissen, »ich fahre morgen Mittag gleich vom Verlag aus für ein paar Tage nach London.« Viktor ärgerte sich. Wenn man überhaupt noch zum Lesen kam, dann auf Reisen. Unhöflich fast von ihr. Und eine innere Stimme raunte ihm zu: »Sorge dafür, daß Aza diese Bücher vor ihrer Reise nach England erhält, das ist deine letzte Chance, das harte Herz dieser schönen Frau zu erweichen!« Innere Stimmen sprachen selten zu Viktor, er hielt nichts von ihnen. Diesmal aber fand er Gefallen daran, der Einflüsterung zu folgen, vor allem, weil es eine schöne warme Nacht war und er Lust auf Bewegung hatte. So nahm er sein Rad, fuhr zu Azas Verlag und warf seine Bücher an Azamira Jamali in der Verlagsbriefkasten.
Am nächsten Tag war kaum eine E-mail-Antwort von Aza zu erwarten, die Bestätigung würde erst Anfang nächster Woche nach ihrer Rückkehr kommen. Viktor war neugierig, ob und wie sie die beiden Stellen, die er für sie angekreuzt hatte, kommentieren würde.
Am Abend waren Viktor und Ellen bei Barbara und Thomas, und andere nette Menschen waren da, und es war wie in einem französischen Film, in dem gutgelaunte Leute bei Tisch gepflegt und intellektuell drauflosreden, und da Viktors Geschichte mit Aza bisher ein Mißerfolg und eben keine Liebesgeschichte war, konnte er sie in der Runde zum besten geben mitsamt dem Märchen von der Prinzessin, und Ellen hatte gerufen: »Kennt denn niemand einen geeigneten Bewerber für die sagenhafte Prinzessin Aza, damit Viktor wenigstens als Heiratsvermittler eine Chance bekommt?« Ellen genoß es, die uneifersüchtige Ehefrau zu spielen, und Viktor hatte das Gefühl, dieses Zeugnis der Aufgeklärtheit habe eine erzieherische Wirkung auf die anderen Paare am Tisch, von denen einige Frauen so aussahen, als würden sie giftig werden, wenn ihre Männer auch nur erwähnten, eine außerordentlich schöne Frau gesehen zu haben.
Als sie dann aufbrachen, entschied sich Viktor entgegen dem Rat der Gastgeber dafür, betrunken mit dem Auto nach Hause zu fahren. »Es wird schon gutgehen«, sagte er, und es ging gut, und die Unvernunft war wieder einmal aufs Schönste bestätigt. »An was denkst du?« fragte ihn Ellen auf dem Nachhauseweg. Sie mußte ziemlich viel getrunken haben, um eine solche Frage zu stellen, die doch eher eine Erstehefrau-Ella-Frage war und nicht die Frage einer Juristin mit Lebenserfahrung. Viktor hatte sich gerade gefragt, ob es wohl heute zu einem Ehefick kommen würde oder nicht. Eher nicht, hatte er gedacht, denn als gutgelaunt von einem netten Abend bei Freunden nach Hause kommendes Ehepaar waren sie derart prädestiniert, miteinander zu schlafen, daß sie es vermutlich gerade deswegen bleibenlassen würden. Die Erwartung hatte etwas Verpflichtendes. Sie würden sich vorkommen, als müßten sie ein Klischee erfüllen. Das aber sagte Viktor nicht. »Ich denke wie immer, daß es gutgehen wird«, sagte er eine Straßenkreuzung weiter, aber Ellen war schon eingenickt.
Zu Hause legte sie sich sofort ins Bett und fiel in den Schlaf der Berufstätigen am Ende einer anstrengenden Woche, und Viktor pries seinen Beruf, in dem die Arbeit des Lebens und die Arbeit des Schreibens verflochten waren, und in dem er nie müde wurde. Er machte noch ein paar Notizen, trank einen Kaffee, den er bei Barbara und Thomas vermißt hatte, und schaute im Computer nach, ob Post für ihn da war. Es war welche da. Und während er klickte und
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