Der Liebesschwur
Matriarchin der Familie.« Er suchte nach Worten, um genau zu erklären, was er damit meinte – doch dann gab er auf. Honorias Macht anzuerkennen – oder die Macht der anderen Frauen der Cynsters – , war etwas, das er und auch all die anderen Männer in der Verwandtschaft äußerst schwierig fanden.
Vane zog die Augenbrauen zusammen und lenkte seine Pferde zum Tor des Parks. »Ich werde dich morgen um die gleiche Zeit besuchen. Eine Ausfahrt oder ein Spaziergang wird das Beste für uns sein, um darüber zu reden, was die anderen getan und was sie für Absichten haben.«
Patience erstarrte. Er hatte sie auf die Ausfahrt mitgenommen, damit sie ihre Pläne miteinander absprechen konnten. »In der Tat«, antwortete sie, und einen Augenblick später fügte sie noch hinzu: »Vielleicht sollten wir Sligo dazu überreden, uns zu begleiten.« Als Vane sie mit gerunzelter Stirn ansah, erklärte sie: »Damit wir seine Meinung hören können.«
Vane runzelte die Stirn noch mehr, doch seine Pferde lenkten ihn ab.
Als sie durch das Tor des Parks gerollt und auf die überfüllte Straße eingebogen waren, saß Patience starr neben ihm, und in ihrem Inneren tobten die widersprüchlichsten Gefühle. Und als die Hufe der Pferde dann über die Aldford Street klapperten, hob sie das Kinn. »Mir ist klar, dass du dich verpflichtet fühlst, den Dieb und das Gespenst zu finden, aber jetzt, wo du nach London zurückgekehrt bist, hast du sicher auch andere Verpflichtungen – oder Ablenkungen – , mit denen du lieber deine Zeit verbringst.« Sie holte angespannt Luft, eine kalte Hand hatte sich um ihre Brust geschlossen. Sie fühlte, dass Vane ihr einen schnellen Seitenblick zuwarf. Mit hoch erhobenem Kopf, die Augen nach vorn gerichtet, sprach sie weiter. »Ich bin sicher, da jetzt Sligo bei uns ist, könnten wir einen anderen Weg finden, dir die nötigen Informationen zukommen zu lassen, ohne dass du deine Zeit damit verschwenden musst, unnötige Spaziergänge oder Ausfahrten zu machen.«
Sie würde sich nicht an ihn klammern. Jetzt, wo sie in der Stadt waren und er sehen konnte, dass sie nicht in seine elegante Welt passte, dass sie es mit den hervorragend zurechtgemachten Schönheiten nicht aufnehmen konnte, an die er gewöhnt war, würde sie nicht versuchen, ihn festzuhalten. Sie würde es nicht so machen wie ihre Mutter, die sich an ihren Vater geklammert hatte. Ihre Beziehung war nur vorübergehend, und in Gedanken konnte sie das Ende bereits sehen. Indem sie den ersten Schritt tat und das unabwendbare Ende anerkannte, konnte sie ihr Herz vielleicht auf den Schlag vorbereiten.
»Ich habe nicht die Absicht, dich nicht mindestens einmal am Tag zu sehen.«
Die Worte klangen abgehackt und voller Zorn, den Patience nicht überhören konnte. Erschrocken sah sie Vane an. Die Kutsche hielt an, er band die Zügel fest und sprang ab.
Dann drehte er sich um, legte die Hände um ihre Taille und hob sie aus dem Sitz – und stellte sie, mühsam beherrscht auf die Straße neben sich.
Seine Augen blickten stahlhart, als er sie ansah. Patience sah atemlos zu ihm hinauf. Sein Gesicht war hart, die Maske eines Kriegers.
»Und wenn es um Ablenkungen geht«, erklärte er ihr zwischen zusammengebissenen Zähnen, »dann könnte nichts auf der Welt mich mehr ablenken als du.«
Seine Worte hatten eine doppelte Bedeutung – eine Bedeutung, die sie nicht verstand. Patience versuchte, Luft zu holen. Noch ehe ihr das gelang, hatte Vane sie bereits die Stufen vor dem Haus hinaufgeführt und sie in die Eingangshalle geschoben.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte er auf sie hinunter. »Erwarte nicht, dass du mich schon bald zum letzten Mal gesehen hast.«
Mit diesen Worten wandte er sich ab und verließ das Haus.
17
Zwei Tage später lief Vane die Treppe zum Haus Nummer 22 in der Aldford Street hinauf, um Patience zu besuchen. Wenn sie nicht bereit war, an diesem Morgen mit ihm auszufahren, dann würde es Schwierigkeiten geben.
Er war nicht besonders guter Laune.
Das war er schon seit zwei Tagen nicht gewesen.
Nachdem er Patience in der Aldford Street zurückgelassen hatte, hatte er, äußerst schlecht gelaunt, Zuflucht bei White's gesucht, um sich zu beruhigen und nachzudenken. Er hatte überlegt, wie viel von sich selbst er ihr bereits enthüllt hatte, wenn man bedachte, wie nahe sie einander bereits gekommen waren. Sie würde – könnte – ihn doch wohl nicht mit ihrem Vater vergleichen? Doch offensichtlich hatte er sich geirrt.
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