Der Liebesschwur
einem kurzen Nicken trat Vane ins Haus. Und blieb dann wie angewurzelt stehen.
Patience stand in der Eingangshalle und wartete auf ihn – ihr Anblick nahm ihm den Atem. Als sein Blick hilflos über ihren Umhang aus weicher, sanftgrüner Merinowolle glitt, der streng geschnitten war, sich an ihren Körper schmiegte und dessen hochstehender Kragen ihr Gesicht einrahmte, und über die braunen Handschuhe und die Halbstiefel und den blassgrünen Rock, der unter dem Saum des Umhanges hervorlugte, hatte Vane das Gefühl, dass sich etwas fest um seine Brust schloss.
Es fiel ihm plötzlich schwer zu atmen, als hätte ihm jemand eine Faust in den Magen geschlagen.
Ihr Haar glänzte im Licht, das durch die geöffnete Tür fiel. Es war heute anders frisiert, kunstvoller, und lenkte die Aufmerksamkeit auf ihre großen goldenen Augen und auf die cremig zarte Haut ihrer Stirn und ihrer Wangen, die sanfte Rundung ihres Kinns. Und auf die Verletzlichkeit ihrer Lippen.
Insgeheim dankte sein verwirrter Verstand Honoria, doch dann fluchte er. Zuvor hatte sie ihn schon verwirrt. Wie, zum Teufel, sollte er jetzt damit umgehen.
Atemlos zwang er sich, seine Gedanken wieder zu sammeln. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf Patience' Gesicht – und las in ihrem Gesichtsausdruck. Er war ruhig, von keinerlei Gefühl getrübt. Sie wartete pflichtschuldigst – wie sie es ausgemacht hatten – auf ihre Ausfahrt mit ihm, ihr Gesicht verriet ihm, dass sie sonst nichts beunruhigte.
Es war dieses »pflichtschuldigst«, das das Fass zum Überlaufen brachte – das seine Laune erneut sinken ließ. Er bemühte sich, den düsteren Blick aus seinem Gesicht zu vertreiben, dann nickte er kurz und reichte ihr den Arm. »Bereit?«
Etwas blitzte in ihren Augen auf, aber das Licht in der Eingangshalle war nicht hell genug, um dieses Gefühl deutlich zu erkennen. Sie senkte leicht den Kopf, dann machte sie ein paar Schritte nach vorn, um die Hand auf seinen Arm zu legen.
Patience saß erstarrt und steif auf dem Kutschsitz von Vanes Zweispänner und bemühte sich, gleichmäßig zu atmen, obwohl eine eiserne Faust sich um ihre Brust gelegt hatte. Wenigstens konnte er heute gegen ihre äußere Erscheinung nichts einwenden, sowohl Celestine als auch Honoria hatten ihr versichert, dass ihr neuer Umhang und die Haube der neuesten Mode entsprachen. Und ihr neues Kleid, das sie unter dem Umhang trug, war gegenüber dem alten eine entschiedene Verbesserung. Doch wenn sie nach seiner Reaktion urteilen sollte, so schien es, als hätte ihr Aussehen keinerlei Konsequenzen. Sie hatte das auch eigentlich gar nicht erwartet, rief sie sich ins Gedächtnis. Sie hatte die neuen Kleider gekauft, weil sie schon seit Jahren ihre Garderobe nicht mehr aufgefrischt hatte und jetzt die beste Gelegenheit dazu gekommen schien. Sobald sie den Dieb gestellt hatten – und das Gespenst – und wenn Gerrard genügend von dem Leben in der Stadt mitbekommen hatte, würden sie sich wieder nach Derbyshire zurückziehen. Wahrscheinlich würde sie nie wieder nach London kommen.
Sie hatte die neuen Kleider gekauft, weil es vernünftig war und weil es nicht gut war, Vane Cynster, den eleganten Gentleman, dazu zu zwingen, in der Öffentlichkeit mit einer Frau zu erscheinen, die altmodisch gekleidet war.
Obwohl ihm das gar nichts auszumachen schien. Patience unterdrückte ein Naserümpfen und hob das Kinn. »Wie ich dir gesagt habe, haben Mrs. Chadwick und Angela an unserem ersten Nachmittag hier einen Besuch in der Bruton Street gemacht. Angela hat uns in das Geschäft einer jeden Modistin gezerrt, selbst zu denjenigen, die Mode für Witwen entwerfen. Und sie hat nach den Preisen von allem gefragt, was sie gesehen hat. Es war wirklich sehr peinlich. Glücklicherweise haben die Antworten, die sie bekommen hat, dann schließlich dazu geführt, dass sie sich entschieden hat. Sie scheint begriffen zu haben, dass es besser ist, wenn eine Schneiderin kommt und ihr ein paar Kleider näht.«
Vane gab ein unwilliges Geräusch von sich und ließ den Blick nicht von seinen Pferden. »Und wo waren Angela und Mrs. Chadwick, als du bei Celestine warst?«
Patience wurde über und über rot. »Wir haben Honoria in der Bruton Street getroffen. Sie hat darauf bestanden, mich bei Celestine einzuführen – und die Dinge … haben sich dann eben so entwickelt.«
»Die Dinge entwickeln sich immer so, wenn Honoria etwas zu sagen hat.«
»Sie war sehr freundlich«, widersprach Patience. »Sie hat sogar Mrs.
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