Der Liebesschwur
Henry konnte kaum eine Kugel versenken. Und dennoch war Vane so sehr abgelenkt gewesen, dass er nicht in der Lage war, auch nur eine Kugel richtig zu treffen, weil seine Gedanken so sehr damit beschäftigt gewesen waren, wann und wie – und was es für ein Gefühl sein würde, wenn es ihm endlich gelang, Patience zu besitzen.
Er ging durch die Eingangshalle zum Frühstückszimmer, seine Stiefel machten ein lautes Geräusch auf dem Fliesenboden. Es war höchste Zeit, dass er und Patience sich unterhielten.
Und danach …
Der Tisch war nur zur Hälfte besetzt, der General, Whitticombe und Edgar waren da, auch Henry, auf dessen Gesicht ein breites Grinsen lag. Vane sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. Er versorgte sich ausgiebig mit den verschiedensten Speisen, dann setzte er sich, um auf Patience zu warten.
Zu seiner Erleichterung tauchte wenigstens Angela nicht auf. Henry teilte ihm mit, dass Gerrard und Edmond bereits gefrühstückt hatten und danach hinaus zu den Ruinen gegangen waren.
Vane nickte, dann aß er weiter – und wartete.
Patience kam nicht.
Als Masters und seine Helfer den Tisch abräumten, stand Vane auf. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt. »Masters – wo ist Miss Debbington?«
Seine Stimme, auch wenn sie ausdruckslos klang, hatte einen stahlharten Unterton.
Masters blinzelte. »Da es der Lady des Hauses nicht gut geht, Sir, ist Miss Debbington im Augenblick bei Mrs. Henderson. Sie bespricht die Menüs mit ihr und sieht die Haushaltsbücher an, da heute der Tag dafür ist.«
»Verstehe.« Vane starrte blicklos zur Tür. »Und wie lange wird das dauern?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Sir, aber sie haben gerade erst angefangen, und die Lady des Hauses braucht normalerweise den ganzen Morgen dafür.«
Vane holt tief Luft. »Danke, Masters.«
Langsam stand er vom Tisch auf und ging zur Tür.
Er war schon so weit, dass er nicht mehr fluchte. In der Eingangshalle blieb er stehen. Sein Gesicht war versteinert, als er sich auf dem Absatz herumdrehte und zum Stall ging. Anstatt mit Patience zu reden, würde er sich auf einen langen, harten Ritt begeben – mit einem Pferd.
Er erwischte sie in der Vorratskammer.
Mit der Hand auf der Klinke der halb geöffneten Tür blieb er stehen und lächelte, grimmig zufrieden. Es war früher Nachmittag, die meisten würden ihren Mittagsschlaf halten – die anderen wären wenigstens müde. Außer dem Rascheln ihres Kleides konnte er keine Geräusche hören. Schließlich hatte er sie allein erwischt, und auch noch an dem perfekten Ort. In der Vorratskammer, die zu ebener Erde in einem entlegenen Flügel des Hauses lag, gab es weder eine Liege, noch eine chaise oder ein ähnliches Möbelstück.
In seinem augenblicklichen Zustand war das auch besser so. Ein Gentleman sollte immerhin mit der Dame, die er zu seiner Frau zu machen gedachte, nicht zu weit gehen, bevor er sie von dieser Tatsache unterrichtet hatte. Die Abwesenheit jeglicher Hilfsmittel für seine Verführung sollte es ihm leicht machen, zur Sache zu kommen, und danach konnten sie sich noch immer an einen Ort zurückziehen, wo es bequemer wäre.
Der Gedanke, wie er das unangenehme Gefühl vertreiben würde, das ihn die letzten Tage verfolgt hatte, erregte ihn noch mehr. Mit zusammengebissenen Zähnen holte er tief Luft. Dann schob er die Tür weit auf und trat über die Schwelle.
Patience wirbelte herum. Ihr Gesicht begann zu strahlen. »Hallo. Sind Sie nicht ausgeritten?«
Vane sah sich in dem nur schwach erhellten Raum um. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Ich bin heute Morgen schon ausgeritten.« Als er das letzte Mal hier gewesen war, war er neun Jahre alt gewesen, und der Raum war ihm damals viel größer vorgekommen. Doch jetzt … Er bückte sich, um einem Büschel Kräuter auszuweichen, die an der Decke hingen, dann kam er um den Tisch herum, der mitten in dem schmalen Raum stand. »Wie geht es Minnie?«
Patience lächelte ihn an und klopfte sich dann die Hände ab. »Nur eine kleine Erkältung – es wird ihr schon wieder besser gehen, aber wir wollen sie doch im Auge behalten. Timms ist im Augenblick bei ihr.«
»Ah.« Er wich noch mehr getrockneten Kräutern aus und ging dann vorsichtig um ein Regal mit großen Flaschen herum, dann schob er sich in den Gang zwischen dem Tisch und der Anrichte auf der Seite, an der Patience arbeitete. Er passte gerade so dazwischen. Doch das bemerkte er kaum, denn all seine Sinne waren auf Patience gerichtet. Seine Blicke
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