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Der Liebestempel

Der Liebestempel

Titel: Der Liebestempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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die sich oben um ihre Beine
schmiegten. Vage nahm ich wahr, daß hinter mir eine Tür zuschlug. Aber nichts
außer vielleicht einem Erdbeben hätte mich im Augenblick ablenken können. Das
Erdbeben erfolgte zwei Sekunden später, und zwar lief es genau meinen Nacken
hinab und ließ mich glatt im Boden versinken. Ungefähr zwei Minuten später, als
ich es schaffte, mich aufzusetzen, wurde mir klar, daß es mich lediglich auf den Boden befördert hatte.
    »Himmel noch mal!« murmelte
eine erstickte Stimme. »Das tut mir aber leid, Lieutenant. Aber als ich Miss
Annabelle so sah, dachte ich, Sie seien irgend so ein Lustmörder, der ins Büro
hereingestürmt gekommen ist.«
    Ich stand steifbeinig auf,
lehnte mich gegen den Schreibtisch und massierte vorsichtig meinen Nacken.
»Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, Sergeant«, sagte ich mit
zusammengebissenen Zähnen. »Es ist wahrscheinlich nichts Ernsthaftes,
vermutlich wird nur eine dauernde Paralyse zurückbleiben.«
    »Das ist gut, Lieutenant.« Er
gab einen massiven Seufzer der Erleichterung von sich. »Ich fürchtete schon, es
sei was Ernstliches.«
    »Was ist aus Miss Jackson
geworden?« fragte ich, mir nach wie vor sachte den Nacken reibend.
    »Als ich sie zuletzt gesehen
habe, machte sie einen ziemlich aufgeregten Eindruck. Das war, nachdem sie
aufgestanden war und etwas gesagt hatte —.« Ein dumpfes Rot stieg ihm ins
Gesicht. »Ich glaube, sie sprach eigentlich von jemand anderem und hat aus Versehen
Ihren Namen genannt. Und genauso war’s auch mit den Worten, die sie benutzt
hat. Sicher hat sie sie irgendwo aufgeschnappt und hat keine Ahnung, was sie
bedeuten, nicht wahr? Jedenfalls, als sie zu reden aufgehört hatte, hob sie ihr
Kleid vom Boden auf und ging zu ladies .« Ein
beseligter Ausdruck ersetzte die Röte auf seinem Gesicht. »Ich wollte, meine
Alte würde sich mal was von dem Zeug kaufen, das Miss Annabelle trägt — da
könnte man sich wenigstens auf etwas freuen, wenn man nach Hause kommt.«
    »Schicken Sie jemanden zu einem
Burschen namens Kendall, der im Tempel
der Liebe wohnt«, sagte ich. »Er soll dort eine Liste mit Namen
abholen. Am besten schicken Sie den nächsten Streifenwagen hin. Ich muß die
Liste sofort haben.«
    »Jawohl, Lieutenant!« Er stürmte
hinaus wie ein prähistorischer Bulle, der so lange aufrecht auf zwei Beinen
gewatschelt war, bis er endlich begriffen hatte, wozu seine Hörner gut waren.
    Ich nahm den Telefonhörer ab
und wählte die Nummer des County-Krankenhauses. Dann ließ ich mich mit Dr.
Murphy verbinden. »Ich rufe wegen Mrs. Magnuson an«, sagte ich. »Besteht die Möglichkeit, daß sie
Rauschgift nimmt?«
    »Seltsam, daß Sie das erwähnen —
ich wollte Sie gerade eben anrufen«, sagte er. »Keine Einstiche, also muß sie
es eingenommen haben. Die Anzeichen stimmen: Die Pupillen sind erweitert, die
Atmung verlangsamt, sie wirkt unterernährt — ich wette, daß sie zumindest seit
fünf Tagen nichts gegessen hat. Ich werde einen Bluttest machen und Sie dann
wieder anrufen.«
    »Danke«, sagte ich. »Was für
ein Rauschgift?«
    »Heroin.«
    Ich hatte eben aufgelegt, als Polnik wieder ins Vorzimmer gestampft kam.
    »Alles geregelt, Lieutenant.«
Er strahlte mich an. »Ein paar Kilometer weit von diesem Tempel entfernt war ein
Streifenwagen.«
    »Gut«, sagte ich. »Ich möchte,
daß Sie...«
    »Ich muß Ihnen von diesem
Friedhof erzählen«, sagte er, und seine rauhe Stimme
überrollte mich wie eine Dampfwalze. »Den hätten Sie sehen sollen, Lieutenant!
Er heißt Schöne Aussicht, und das ist kein Witz. Er liegt oben auf einem Hügel, und man kann viele
Kilometer weit in jede Richtung sehen.«
    »Aber nicht, wenn man dort
begraben liegt«, knurrte ich.
    »Nein, wahrscheinlich nicht,
aber es ist trotzdem sehr schön dort. Es gibt da einen großen Wasserfall, und
die ganze Zeit über spielt ganz leise und traurig Musik. Mir war ein paarmal
direkt nach Weinen zumute. Und ein paar von den Grabsteinen sind wirkliche
Kunstwerke, alles in Marmor. Ich hab’ mir alles gründlich angesehen, genau wie
Sie gesagt haben, Lieutenant.«
    »Das ist gut«, sagte ich. »Ich
möchte, daß Sie...«
    »Alles sehr hübsch und würdig«,
fuhr er erbarmungslos fort. »Nichts Billiges auf dem ganzen Friedhof! Der
Chefvertreter zeigte mir persönlich das ganze Areal. Er trug einen Cutaway und sah direkt wie ein Staatsmann oder so was aus.
Und er hatte auch ganz die richtige Stimme dazu - sie war leise und hatte so
was Gepflegtes.

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