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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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Pyjamajacke. Dann half ich dir, die Arme in die Ärmel zu schieben, und schloss die Knöpfe. Das alles tat ich, ohne dich anzusehen, Patrick. Ich musste wegsehen, weil du es immer wieder sagtest: »Wo ist Tom wo ist Tom wo ist Tom wo ist Tom wo ist Tom«, jedes Mal ein bisschen leiser und ein bisschen langsamer, und ich hatte keine Antwort darauf.
    Schließlich sagte ich: »Es ist wunderbar, dass du wieder sprichst, Patrick. Tom wird sehr stolz sein.« Ich machte uns beiden Tee, den wir schweigend zusammen tranken, du hingst erschöpftüber deinem Strohhalm, deine untere Hälfte war unter der Decke immer noch nackt und ich blinzelte das graue Quadrat des Fensters an.
    Ich bin sicher, du wusstest, dass ich zum ersten Mal dort war. Ich hatte nie einen Anlass gehabt, das Museum und die Kunstsammlung von Brighton zu betreten. Rückblickend bin ich über mich selbst erstaunt. Ich war gerade Lehrerin an der Vorschule St. Luke geworden und noch nie in einer Kunstausstellung gewesen.
    Als Tom und ich uns durch die schweren verglasten Türen schoben, dachte ich, dass es dort am ehesten aussah wie in einem Fleischerladen. Das lag an den grünen Kacheln, nicht wie das Grün im Brightoner Schwimmbad, das fast Türkis ist und bei dessen Anblick man sich schon heiter und leicht fühlt, sondern ein moosiges, tiefes Grün. Und dann der kunstvolle Mosaikboden und die glänzende Mahagonitreppe und die blinkenden Vitrinen mit ausgestopften Sachen. Gut, es war eine geheime Welt. Eine Männerwelt, dachte ich, genau wie Fleischerläden. Frauen können zu Besuch kommen, aber hinter den Kulissen, hinten im Laden, wo abgehackt und sortiert wird, sind nur Männer. Nicht, dass mich das damals gestört hätte. Aber ich wünschte, ich hätte nicht das neue fliederfarbene Kleid mit dem weiten Rock und Schuhe mit kleinem Absatz angezogen – zum einen war es Mitte Dezember und die Gehsteige waren vereist und zum anderen bemerkte ich, dass sich die Leute fürs Museum nicht fein machten. Die meisten anderen waren in braune oder marineblaue Wollstoffe gekleidet und es war im ganzen Gebäude dunkel und ernst und still. Nur meine Absätze klapperten unpassend auf dem Mosaikfußboden, machten ein Echo wie hingeworfene Münzen.
    In den Schuhen war ich außerdem fast so groß wie Tom, was ihm nicht gefallen haben kann. Wir gingen die Treppe hinauf, Tom etwas vor mir, die Nähte seiner Sportjacke spannten über seinenbreiten Schultern. Für einen großen Mann hat Tom einen leichten Schritt. Oben an der Treppe nickte ein ungeheuer dicker Sicherheitsbeamter gerade ein. Seine Jacke war offen und ein paar gelb getupfte Hosenträger waren zu sehen. Als wir vorbeigingen, riss er den Kopf hoch und bellte: »Guten Tag!«, schluckte schwer und blinzelte. Tom muss hallo gesagt haben, denn er antwortete Leuten immer, aber ich bezweifle, dass ich mehr als ein Grinsen zustande brachte.
    Tom hatte mir alles über dich erzählt. Auf dem Weg zum Museum musste ich mir noch einmal seine Beschreibungen von Patrick Hazlewood, Kurator der Abteilung für westliche Kunst und der Kunstsammlung im Museum von Brighton, anhören: Er stände mit beiden Füßen auf der Erde, genau wie wir, wäre freundlich und normal, ohne Allüren, dazu gebildet, kenntnisreich und kultiviert. Ich hatte es schon so oft gehört, dass ich überzeugt war, du würdest das genaue Gegenteil sein. Als ich versuchte, dich mir vorzustellen, sah ich das Gesicht des Musiklehrers von St. Luke vor mir – ein kleines, spitzes Gesicht, flankiert von fleischigen Ohrläppchen. Ich war immer wieder erstaunt, dass dieser Lehrer, Mr Reed, so sehr wie ein Musiker aussah. Er trug einen dreiteiligen Anzug und eine Taschenuhr und mit seinen dünnen Händen deutete er häufig auf etwas, als würde er jeden Moment beginnen, ein Orchester zu dirigieren.
    Wir lehnten an der Balustrade oben an der Treppe und sahen uns um. Tom war schon oft hier gewesen und wollte mir zeigen, was er wusste. »Guck mal«, sagte er, »das Bild ist berühmt.« Ich warf einen kurzen Blick darauf. »Also, es ist von einem berühmten Künstler«, fügte er hinzu, ohne mir den Namen zu sagen. Ich drängte ihn nicht dazu. Damals drängte ich ihn zu nichts. Es war ein dunkles Bild – alles war fast schwarz, die Farbe sah schmutzig aus –, aber nach wenigen Sekunden entdeckte ich die ausgestreckte weiße Hand oben in der Ecke. »Die Auferstehung des Lazarus«,sagte Tom und ich nickte und lächelte ihn an, stolz, dass er das wusste. Ich wollte ihm zu

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