Der Liebhaber meines Mannes
Unterrichten, über meine Familie und über meine Ansichten über die »Rolle der Frau in der Gesellschaft«, wie du dich ausdrücktest, zu reden. Am zweiten Abend, nach dem Hähnchen nach Jägerart und zu vielen Gläsern Beaujolais, hast du mich nach meiner Meinung über arbeitende Mütter gefragt. Welche Folgen hätte es meiner Meinung nach für das Familienleben? Waren arbeitende Mütter schuld daran, wenn Kinder als Erwachsene kriminell wurden? Ich wusste, es hatte kürzlich eine große Debatte darüber in den Zeitungen gegeben. Eine Frau – eine Lehrerin sogar – wurde für den Tod ihres Sohnes verantwortlich gemacht. Er war an Lungenentzündung gestorben und es hieß, wenn sie mehr zu Hause gewesen wäre, hätte sie den Ernst der Krankheit des Jungen früher erkannt und er wäre am Leben geblieben.
Obwohl ich mit einigem Interesse über den Fall gelesen hatte – hauptsächlich weil eine Lehrerin betroffen war –, war ich noch nicht so weit, zu der Angelegenheit eine Meinung zu äußern. Damals stützte ich mich nur auf meine Gefühle. Ich hatte scheinbar nicht die Worte, über solche Dinge zu sprechen. Trotzdem, ermuntert durch den Wein und deinen forschenden, interessierten Blick, gab ich zu, dass ich die Arbeit nicht würde aufgeben wollen, selbst wenn ich Kinder hätte.
Ich sah, wie sich die Lippen unter deinem Schnurrbart zu einem kleinen Lächeln formten.
Tom, der während der Unterhaltung mit einer Pfütze Kerzenwachs gespielt hatte, sah auf. »Wie bitte?«
»Marion hat gerade gesagt, sie würde gerne weiterarbeiten, wenn ihr Kinder habt«, hast du ihn informiert, mein Gesicht beobachtend, während du sprachst.
Tom sagte einen Moment nichts.
»Ich habe mich noch nicht wirklich entschieden«, sagte ich. »Wir müssten darüber sprechen.«
»Warum solltest du weiterarbeiten?«, fragte Tom in bewusst sanftem Ton, der, wie ich später wusste, ziemlich gefährlich war. Aber damals verstand ich die Warnung noch nicht.
»Ich finde, Marion hat recht.« Du hast Toms Weinglas bis zum Rand gefüllt. »Warum sollten Mütter nicht arbeiten gehen? Besonders, wenn ihre Kinder in der Schule sind. Es hätte meiner eigenen Mutter unglaublich gut getan, einen Beruf zu haben, ein Ziel.«
»Aber du hattest ein Kindermädchen, oder? Und du warst die meiste Zeit auf einem Internat.« Tom schob sein Glas weg. »Es war vollkommen anders für dich.«
»Unglücklicherweise ja.« Du hast mich angelächelt.
»Keines meiner Kinder …«, begann Tom und verstummte. »Kinder brauchen ihre Mutter«, begann er wieder. »Du brauchst nicht arbeiten zu gehen, Marion. Ich könnte für eine Familie sorgen. Das ist die Aufgabe des Vaters.«
Damals war ich erstaunt, wie entschieden Tom in dieser Sache war. Jetzt, rückblickend, kann ich es besser verstehen. Tom stand seiner Mutter immer sehr nahe. Als sie vor mittlerweile über zehn Jahren starb, legte er sich zwei Wochen ins Bett. Bis dahin hatte er sie immer jede Woche besucht, für gewöhnlich allein. Am Anfang unserer Ehe schwieg ich die meiste Zeit, wenn ich das Haus meiner Schwiegermutter betrat, während Tom sie über seine neuesten Erfolge bei der Polizei aufklärte. Manchmal waren sie erfunden, das wusste ich, aber ich stellte ihn deswegen nie zur Rede. Sie war ungeheuer stolz auf ihn; überall im Haus waren Fotos ihres Sohnes in Uniform und er erwiderte das Kompliment, indem er ihr Kataloge mit Kleidung in Übergrößen mitbrachte und sie beriet, was ihr gut stehen könnte. Gegen Ende wählte er die Kleidung sogar aus und bestellte sie für sie.
»Niemand bestreitet deine Fähigkeit, Vater zu sein, Tom«, sagtest du in besänftigendem, beruhigendem Ton. »Aber was ist mit Marions Wünschen?«
»Ist das nicht alles ein bisschen theoretisch?«, fragte ich und versuchte zu kichern. »Vielleicht haben wir gar nicht so viel Glück, Kinder zu bekommen –«
»Natürlich werden wir«, sagte Tom und langte herüber und legte eine warme Hand auf meine.
»Darum geht es nicht«, sagtest du schnell. »Wir reden darüber, ob Mütter arbeiten gehen sollten –«
»Was sie nicht sollten«, sagte Tom.
Du hast gelacht. »Du bist sehr entschieden in dem Punkt, Tom. Ich hätte nicht gedacht, dass du so – na ja,
kleinbürgerlich
bist, was das angeht.«
Wieder hast du gelacht, aber Tom nicht. »Was weißt du schon darüber?«, fragte er leise.
»Wir diskutieren das Thema doch nur, oder? Das sprichwörtliche Reden über Gott und die Welt.«
»Aber du weißt nichts darüber, nicht
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