Der Lilienpakt
besondere Aufgaben zuständig. Habt keine Angst, Euch wird kein Leid widerfahren. Ich brauche nur Eure Hilfe.«
»Warum lasst Ihr mich dann niederschlagen?« Maître Nancy klang ungehalten.
Aramitz deutete eine leichte Verbeugung an. »Ich bitte nochmals um Vergebung, Monsieur. Euer Verschwinden sollte rasch und reibungslos vonstattengehen, wir hatten keine Zeit für Erklärungen.«
»Die wären aber angebracht gewesen. Wahrscheinlich bin ich so rasch und reibungslos verschwunden, dass meine Haustür noch offen steht.«
Aramitz blickte kurz zu Pascal, der den Kopf schüttelte. »Für Euer Heim wurde Sorge getragen.«
Doch auch das konnte Maître Nancy nicht beschwichtigen.
»Ich verlange, dass Ihr mich wieder nach Hause bringt! Ihr habt großes Glück, dass ich keinen Degen bei mir habe, sonst würde ich Euch für den Überfall bezahlen lassen!« Wütend rannte er zur Tür.
»Maître Nancy!« rief ich schnell, bevor ihn die Diener zum Bleiben zwingen mussten.
Der Fechtmeister erstarrte auf der Stelle. Langsam wandte er sich um. Als er mich sah, wurde er blass.
»Das ist nicht möglich!« Rasch bekreuzigte er sich. »Ich habe an Eurem Sarg gestanden. Ich dachte, Ihr seid …«
»Wie Ihr seht, lebe ich noch. Und ich freue mich, dass es Euch gut geht.«
Der Fechtmeister stand wie vom Blitz getroffen da, als ich die Treppe hinunterkam. »Unmöglich. Das ist unmöglich.«
»Ihr erscheint zur rechten Zeit, Comtesse!«, rief Aramitz mir zu. »Vielleicht könnt Ihr den Maître zum Bleiben bewegen.«
Ich ging nicht auf seine Worte ein. Ich trat vor Nancy und streckte den rechten Arm vor. »Nehmt meine Hand, dann werdet Ihr sehen, dass ich kein Trugbild bin.«
Nancy berührte mich zögernd, dann fiel er vor mir auf die Knie. »Ihr lebt! Mein Gott, Ihr lebt wirklich!« Tränen flossen über sein Gesicht, als er meinte Hand küsste. Sein breiter Rücken erzitterte unter heftigem Schluchzen.
»Ja, ich lebe. Und ich freue mich, Euch wohlauf zu sehen.«
Nancy hielt meine Hand weiterhin fest. »Als ich von dem Überfall hörte, glaubte ich, mein Herz würde mir den Dienst versagen. Der Schmerz hat mich beinahe zerrissen, als ich vor Eurem Sarg stand. Warum habt Ihr mich nicht wissen lassen, dass Ihr noch am Leben seid?«
Die Tränen des Fechtmeisters schnürten mir die Kehle zusammen. »Ich hatte keine andere Wahl«, presste ich hervor. »Bitte verzeiht mir!«
»Nein, verzeiht mir! Ich hätte zur Stelle sein müssen, als es passierte.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, was passiert ist, hättet auch Ihr nicht verhindern können. Kommt, ich erzähle euch von Anfang an, wie es gewesen ist. Und welche Gründe ich für die Täuschung hatte.«
Ich nahm ihn bei der Hand und zog ihn mit mir in die Küche. Dominik war gerade dabei, etwas Feuerholz nachzulegen. Er lächelte mich an, dann zog er sich in eine Ecke zurück, wo er begann, eine Figur zu schnitzen.
Wir ließen uns am sauber geschrubbten Tisch nieder. Aramitz bot Nancy eine schlanke weiße Pfeife an, die dieser dankend annahm. Er selbst zündete sich ebenfalls eine an.
Der Fechtmeister sog den Tabakrauch zitternd in seine Lungen, dann sah er mich eindringlich an.
Ich berichtete ihm von der Nacht, in der die Mörder kamen, wie ich von Monsieur Garos gefunden wurde und wie ich auf die Idee kam, mich in den Schmiedelehrling Christian zu verwandeln.
Nancy schnaufte unmutig.
»Dieser dumme Kerl hätte Euch von dieser Idee abbringen sollen.« Wieder sog er an seiner Pfeife. »Ihr hättet zu mir kommen können! Ich hätte Euch gewiss ebenso gut verborgen.«
»Ich weiß, doch ich wollte Euch nicht in Gefahr bringen, Maître.«
»Aber wie hätte ich denn in Gefahr geraten sollen? Ich hätte vielmehr da sein sollen, um Euren Vater zu unterstützen.«
»Dann wärt Ihr der Comtesse jetzt keine Hilfe mehr«, mischte sich Aramitz ein. »Die Männer, welche die Schwarze Lilie geschickt hatte, waren Meuchelmörder, die keinen Sinn für die Fechtkunst haben. Sie schlachten einfach so viele ab, wie sie können. Sie haben ein wahres Blutbad angerichtet und niemanden am Leben gelassen. Die Comtesse kann uns das sicher bestätigen.«
Ich nickte beklommen.
»Wärt Ihr dort gewesen, würdet Ihr unter der Erde liegen und könntet der Comtesse und unserer Sache nicht mehr dienlich sein.«
»Welcher Sache?«
»Ihr sollt Mademoiselle d’Autreville wieder unterrichten.«
»Aber …««
»Wollt Ihr etwa nicht?« Aramitz zog einen kleinen Lederbeutel aus der Tasche, in dem
Weitere Kostenlose Bücher