Der Lilienpakt
unterwegs auch auf ein paar Mädchen trifft«, hörte Jules seinen Vater raunen, doch er kümmerte sich nicht darum und trat auf den Hof.
Er hatte das Tor der Schmiede gerade hinter sich gelassen, als er plötzlich ein Zischen vernahm. Er schreckte auf und sah Monsieur Ismael in der Tür stehen. Der Alte schien schon auf ihn gewartet zu haben.
»Sagt, wer seid Ihr?«, fragte er. »Und würdet Ihr eine Nachricht für mich weiterleiten?«
Offenbar hatte der Blinde seine Schritte vernommen.
»Ich bin es, Monsieur Ismael«, antwortete Jules. »Wem soll ich denn eine Nachricht überbringen?«
Der Mund des Alten öffnete sich überrascht. »Ah – dann bin ich ja gleich an den Richtigen geraten. Sag, was führt dich aus der Schmiede?«
»Ich will mir nur ein wenig die Beine vertreten. Über die Feiertage ist nicht besonders viel los.«
»Nun, dann höre. Ich habe eine Nachricht von dem Burschen, der eine Zeit lang bei Euch gewohnt hat. Er möchte dir mitteilen, dass er im Château Moreville zwanzig Meilen nördlich von Paris ist, als Diener eines hohen Herrn. Wenn du willst, kannst du ihn dort besuchen.«
Christine! Beinahe wäre Jules der Name entschlüpft.
»Wann habt Ihr diese Botschaft erhalten?« Er versuchte, ruhig zu klingen. Er konnte nicht fassen, dass die Comtesse es gewagt hatte, ihm eine Nachricht überbringen zu lassen.
»Gerade eben. Ein Reiter brachte sie mir. Der Diener von einem gewissen Monsieur Aramitz. Ich nehme an, dass er jetzt dort ist.«
Jules konnte seine Aufregung kaum mehr verbergen. Dass sich alles etwas merkwürdig anhörte, wunderte ihn nicht. Christine traute er merkwürdige Einfälle zu, und da sie das Château wahrscheinlich nicht verlassen durfte, hatte sie einen der Diener angestiftet, eine Nachricht zu schicken. Dass das Ganze über Monsieur Ismael lief und sie zudem nicht offenbart hatte, dass sie ein Mädchen war, verlieh dem Ganzen zusätzliche Glaubwürdigkeit.
»Vielen Dank, Monsieur Ismael.«
»Keine Ursache, mein Junge«, gab der Blinde zurück.
Jules verabschiedete sich und eilte die Straße entlang. Scheinbar wollte er sich nur die Beine vertreten, doch im Stillen dachte er darüber nach, wie er es am besten anstellen sollte, zu Christine zu kommen.
Am Nachmittag des darauffolgenden Tages war der Rubin wieder an seiner ursprünglichen Stelle. Während sich Nancy zurückgezogen hatte, um sich auszuruhen, hatte ich an meinem Degen gearbeitet. Ohne die Werkzeuge in Monsieur Garos’ Schmiede war dies bedeutend schwieriger, aber schließlich gelang es mir, den Knauf wieder zu befestigen.
Nun ging ich, gefolgt von Nancy und Aramitz, zur Mühle. Die Flügel standen nun vollkommen still, denn es regte sich kein Lüftchen. Ein paar Krähen hatten sich auf dem Mühlenkopf niedergelassen. Laut krächzend flatterten sie auf, als wir uns näherten.
In der Mühle war es nicht viel wärmer als draußen.
»Was für eine Art Kampf soll das werden?«, fragte Nancy, während er sich in der Mühle umsah.
»Ihr sollt der Comtesse beibringen, wie man einen Kampf über einen ganzen Raum bestreitet. Unter Zuhilfenahme aller Gegebenheiten.«
»Ich soll sie im Straßenkampf unterrichten?« Der Fechtmeister zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
»Was ist daran so schlimm?«, fragte Aramitz zurück, während er sein Fechtgehänge abnahm und den Degen zog. »Eure Schülerin hat sich bereits in solch einem Kampf bewährt, allerdings hatte sie da meinen Cousin an ihrer Seite.«
Eher hatte Athos mich an seiner Seite gehabt, aber das verschwieg ich.
»Ihr habt ein Straßenduell ausgefochten?« Nancy wirkte besorgt.
»Ich habe gegen Mitglieder der Schwarzen Lilie gefochten«, antwortete ich. »Außerdem war ich der Page eines Musketiers. Doch wie Ihr seht, lebe ich noch.«
Nancys Schnaufen sollte mir wohl sagen, dass ich großes Glück gehabt hatte.
»Die Schwarze Lilie ist uns auf den Fersen«, bemerkte Aramitz. »Ich fürchte, mittlerweile wissen diese Männer, dass die Comtesse nicht gestorben ist. Sie wird nicht immer als Junge herumlaufen können, inzwischen wird es immer offensichtlicher, dass sie keiner ist.«
Ich errötete. Wie kam Aramitz dazu, so genau hinzusehen? Ich warf ihm einen giftigen Blick zu, aber er sah wieder zu Nancy.
»Es kann sein, dass sie angegriffen wird und dass dann gerade niemand da ist, der ihr beistehen kann. Also wird sie sich trickreich verteidigen müssen. Auch gegen mehrere Angreifer.«
Der Fechtmeister wirkte noch immer skeptisch. Glaubte er nicht,
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