Der Lilienpakt
Schaden komme? Ich werde niemals wichtig für das Land sein. Und ich habe auch nicht vor, in die Politik einzugreifen.«
Ein mildes Lächeln zog über Troisvilles Gesicht. Er blickte kurz zu Aramitz, der die Antwort bereits zu kennen schien, dann sagte er: »Wir beschützen Euch, weil es Menschen gibt, die Euch geliebt haben und lieben. Und weil die Königin – Eure Mutter – es so wünscht.«
Mir lag schon auf der Zunge, dass sie nicht meine Mutter sei, doch Troisville fügte hinzu: »In all den Jahren hat sie George Villiers, den Herzog von Buckingham, nicht vergessen können. Ihr seid sein lebendes Vermächtnis. Auch wenn sie sich zu Euch ebenso wenig bekennen kann wie damals zu dem Herzog, hat sie uns doch den Befehl gegeben, über Euch zu wachen und dafür zu sorgen, dass Ihr nicht dasselbe Schicksal erleidet, das Eurem leiblichen Vater widerfahren ist. Und weil wir die Königin lieben, werden wir ihren Befehl ausführen, solange wir können. Was auch immer es kostet.«
15
Der Großmeister betrachtete den Dolch vor sich. Ein wunderschönes Stück Waffenschmiedekunst. Der Griff war fein verziert, die Enden der Parierstange liefen zu kleinen Lilien aus. Die Klinge war an beiden Seiten wellenförmig angeschliffen.
Schon einmal hatte königliches Blut an dieser Klinge geklebt. Diese Waffe war der Dolch Ravaillacs gewesen, der Henri IV. getötet hatte. Richelieu hatte ihn in die Hände bekommen und verwahrt für jenen Zeitpunkt, da es nötig sein würde, wieder einen König zu töten. Oder eine Königin.
Heute würde es endlich so weit sein! Heute würde die Königin für die Sünde bezahlen, die sie vor achtzehn fahren begangen hatte. Richelieu war zeitlebens unschlüssig gewesen. Zuletzt hatte er sogar mit Anna paktiert. Doch als sein Schüler war er der Meinung, dass dieser Sinneswandel nur der Schwäche geschuldet war, die ihn an seinem Lebensende überkommen hatte. Wäre er bei Kräften gewesen, hätte er dafür gesorgt, dass Anna nie als Regentin eingesetzt worden wäre.
Ein wehmütiges Lächeln huschte über das Gesicht des Großmeisters. Er bedauerte zutiefst, dass sein Lehrmeister diesen Tag nicht mehr miterleben konnte. Leider war er noch vor dem König gestorben, aber sein Geist war gewiss noch irgendwo. Vielleicht war es ihm vom Himmel aus vergönnt, den späten Triumph der Schwarzen Lilie zu erleben.
Natürlich hätte alles anders kommen sollen. Die Flucht der Königstochter und des Musketiers war ein herber Rückschlag gewesen. Doch die anfängliche Wut darüber war mittlerweile verraucht. So oder so, die Königin würde sterben. Um ihr Balg, diesen Porthau und die anderen würden sich seine Leute später kümmern.
Schritte vor der Tür rissen ihn aus seinen Gedanken. Als es klopfte, blickte er auf.
Drei Männer traten ein. Sie trugen schwarze Mäntel über ihren Kleidern und wirkten auf den ersten Blick, als wollten sie an einer Trauerfeier teilnehmen. Doch für Richelieus Schüler würde ihre Tat der Anlass für ein Freudenfest sein.
»Eure Leute sind bereit?«, fragte der Großmeister, während er andächtig nach dem Dolch griff.
»Das sind sie«, antwortete der Anführer. »Wir warten nur auf Euren Befehl.«
Der Großmeister blickte noch einmal auf die Waffe. Er stellte sich vor, wie die Klinge aussah, wenn das Blut Anna von Österreichs an ihr klebte. Vielleicht sollte er die Männer anweisen, es nicht abzuwischen.
Doch würde er den Dolch je wiedersehen? Er rechnete damit, dass seine Leute nicht zurückkehrten. Wenn der Mord an der Königin und dem Dauphin bemerkt würde, würde man sie jagen. Und sollten sie gefasst werden, würde man sie hinrichten. Der Dolch würde von Mazarin, seinem Rivalen, eingezogen werden und für immer verschwinden. Wenn er ihn doch wieder in die Hand bekam, würde das Blut längst abgewaschen sein.
»Nehmt diesen Dolch und gebraucht ihn weise«, sagte er und reichte ihn dem mittleren der Männer. Damit gab er ihm auch den direkten Auftrag, die Königin zu töten. Seine Begleiter würden nur im Notfall eingreifen, wenn er nicht mehr dazu kam, den Dolch zu führen.
»Ich erwarte, dass an diesem Tag die Trauerglocken läuten.«
»Das werden sie.«
Die Männer verneigten sich und verließen das Kabinett des Großmeisters. Dieser erhob sich daraufhin und trat ans Fenster. Unten auf der Straße strömten etliche Menschen trotz der Kälte in die Kirchen. Ein neues Jahr hatte begonnen. Und der Großmeister war sicher, dass jetzt auch eine neue Zeit beginnen
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