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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Ihr Euer Gesicht ein wenig schmutzig machen, damit Ihr nicht zu sehr nach Mädchen ausseht.«
    Er lächelte ein wenig verlegen, und ich wusste, was er eigentlich meinte. Ich würde mir die Brüste mit einem Leinentuch abbinden müssen, wenn man mich je für einen Jungen halten sollte.
    »Was macht dein Arm?«, fragte ich schließlich.
    »Er schmerzt nicht mehr.«
    »Wirklich? So ein Degenstich kann tückisch sein.«
    »Eure Tinktur wirkt Wunder. Vielleicht solltet Ihr das Mittel mitnehmen, in der Schmiede verletzt man sich hin und wieder.«
    »Wenn es deinem Vater nicht zu viel wird, das alles auf den Wagen zu laden, nehmen wir es mit. Hier braucht es ohnehin niemand mehr.«
    Ich senkte traurig den Kopf.
    Das Rumpeln von Wagenrädern zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich kehrte zum Fenster zurück, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Särge meiner Familie auf Pferdewagen durch das Schlosstor geschafft wurden.
    Ich bekreuzigte mich, sprach ein Vaterunser und dankte im Stillen den Menschen, die sich den Wagen anschlossen, um den Toten das letzte Geleit zu geben.
    Ich wusste nicht genau, wie die Bewohner unseres Lehens über uns dachten, aber mein Vater hatte versucht, stets gerecht zu sein. Vielleicht würden sie ihn und seine Familie deswegen im Gedächtnis behalten.
    Die Nacht war bereits weit vorangeschritten, als wir zum Aufbruch rüsteten. Wir packten Proviant und Arzneien ein und legten mein Kleiderbündel auf den Wagen. Anschließend ging ich ein letztes Mal durch das Schloss.
    Eigentlich hätten sämtliche Möbel und Spiegel verhängt werden müssen, aber dazu blieb uns keine Zeit. Es hätte sicher einen ganzen Tag gebraucht, außerdem lebte offiziell niemand mehr auf dem Schloss.
    Ich passierte die Gemächer meiner Brüder und betrat ein letztes Mal den Salon meiner Mutter. Im Gang raunte der Wind, als wären es Geisterstimmen. Ein Schauder überlief mich, als ich die Studierstube meines Vaters betrat. Hier wirkte noch alles so, als würde er jeden Augenblick durch die Tür treten.
    Dem mir wichtigsten Raum sagte ich zuletzt Lebewohl.
    Die Blutflecken ignorierend strebte ich dem Fechtsaal zu. Vor der Tür war noch immer die Lilie aus angetrocknetem Blut. Ich stellte mich an die Stelle, an der mein Vater seinen letzten Atemzug getan hatte. Von hier aus betrachtete ich die Waffenständer und die hohen Spiegel.
    Mein Herz wurde mir schwer, als ich an die glücklichen Tage zurückdachte. Wie dumm erschienen mir meine damaligen Sorgen jetzt! Ich betrachtete den Jungen im Spiegel, der meine Züge trug, und versprach dem Fechtsaal leise: »Ich kehre zurück.«
    Dann zog ich die große Tür zu und ging zu Monsieur Garos und Jules, die draußen auf mich warteten.

9
    Der Mann war in einen schwarzen Mantel gehüllt, in dem seine Gestalt vollkommen mit der Dunkelheit des Ganges verschmolz. Wasser platschte unter seinen Sohlen. Als eine Ratte über seine Stiefelspitze huschte, fluchte er laut und trat nach dem Tier. Böse lächelnd setzte er seinen Weg fort.
    Er hasste diesen Ort. Er war finster und feucht, hatte viele Nischen, in denen sich ein Gegner verstecken konnte, und nirgendwo stank es schlimmer als hier, wo es vor Ratten und anderem Ungeziefer nur so wimmelte. Er stapfte wadenhoch durch Schlamm, Kot und anderen Unrat.
    Warum nur hat sich der Großmeister diesen Ort als Zugang für unseren Unterschlupf ausgesucht?, dachte er grimmig.
    Doch vielleicht war das bald vorbei. Der alte König lag im Sterben und der Dauphin war noch ein Kind. Nur wenige kannten den Plan des Großmeisters in allen Einzelheiten. Doch er hatte ihnen allen versprochen, dass Großartiges auf sie zukommen würde.
    Schließlich erreichte er eine schwere, eisenbeschlagene Tür, gegen die er dreimal hämmerte.
    Unverzüglich wurde der Riegel zurückgeschoben, dann schwang der Türflügel auf. Der Mann, der ihn erwartet hatte, trug einen schwarzen Kapuzenmantel.
    »Der Großmeister ist in seiner Studierstube«, eröffnete er ihm. »Folgt mir.«
    Der Capitan kannte sich im Gebäude aus, doch die Pfortenwächter waren angewiesen, Gäste nach oben zu begleiten. Es hieß, dass sie auch dafür zuständig waren, Verräter zu töten. Zunächst gaukelten sie diesen vor, sie zu einer Unterredung mit dem Großmeister zu führen. Unterwegs zogen sie dann einen Dolch hervor und beförderten den Verräter in den Unrat der Katakomben, wo er von den Ratten gefressen wurde.
    Der Capitan folgte dem Mann durch einen Gang aus grob behauenen, rußgeschwärzten

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