Der Lilienpakt
ihre Miene einfror, trocknete sie hastig die Hände an ihrer Schürze ab.
»Wen hast du denn da aufgelesen?«
Der Waffenschmied wandte sich seufzend an seinen Sohn: »Zeig ihr den Hof und dann ihre Kammer.«
»Und Maman?«
»Die werde ich schon überzeugen.«
Garos sprang vom Kutschbock und zog seine Frau ins Haus.
»Offenbar habt ihr die Rechnung ohne die Hausherrin gemacht«, bemerkte ich. »Vielleicht sollte ich mich doch besser nach einer anderen Möglichkeit umsehen. Paris ist groß, und ich könnte …«
»Kommt nicht infrage!«, schnitt mir Jules fast schon grimmig das Wort ab. »Das wäre viel zu gefährlich.«
»Du vergisst, dass ich einen Degen habe. Und damit umgehen kann.«
»Aber gegen eine Horde von Straßenräubern wirst auch du nichts unternehmen können.«
»Weil ich ein Mädchen bin?«
Jules senkte verlegen den Kopf. Natürlich, deswegen!
Ich seufzte. Würde es je eine Zeit geben, in der Frauen nicht mehr unterschätzt wurden?
»Tu, was dein Vater gesagt hat, und zeig mir den Hof. Irgendwie müssen wir die Zeit ja totschlagen.« Ehe Jules mir seine Hilfe anbieten konnte, sprang ich vom Wagen hinunter. Dann nahm ich den Degen an mich. Ich hatte ihn in Lumpen gewickelt, damit er wie ein knorriger Wanderstock aussah.
Jules starrte mich noch immer an.
»Na, mach schon!«, forderte ich ihn auf. »Oder willst du mich anstarren, bis dein Vater zurück ist?«
Die Waffenschmiede bestand aus einem steinernen, zu zwei Seiten offenen Unterstand, in dessen hintere Wand eine riesige Esse eingelassen war, und einer geschlossenen Werkstatt, in der die Feinarbeiten erledigt wurden.
Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Schmiede gab es hier keine Hufeisenrohlinge, sondern Rohlinge von Klingen verschiedenster Größe. In Körben warteten fertig geschmiedete Degen-und Rapierklingen auf die Weiterverarbeitung. Einige hatten bereits ihre Parierstangen und Glocken erhalten und brauchten nur noch poliert zu werden. Andere waren über das Stadium der nackten Klinge noch nicht hinaus. In kleineren Kästen lagen Messer und Dolche, ebenfalls in unterschiedlichen Bearbeitungsstadien.
Beeindruckend fand ich die Werkzeuge, die fein säuberlich nach ihrem Verwendungszweck geordnet waren: Zangen und Hämmer, Zwingen, Platten und Keile. Vor der Esse stand ein riesiger Blasebalg. In die beiden unterschiedlich großen Schraubstöcke wurden Werkstücke eingespannt. Einer der drei Ambosse in dem Raum war groß genug, dass ich mich daraufsetzen konnte.
Als ich eine entsprechende Bemerkung machte, sah mich Jules an, als hätte ich den Teufel beschworen.
»Mach das ja nicht, wenn Vater in der Nähe ist. Nein, mach es besser nie! Du könntest den Amboss mit deinem Gewicht umreißen. Wenn das passiert, wird Papa keine Rücksicht darauf nehmen, dass du eine Comtesse bist. Er kann sehr wütend werden!«
»Keine Sorge, es war nur ein Scherz«, gab ich zurück. »Oder glaubst du, ich will mir vom Amboss die Knochen brechen lassen?«
Ich trat nun ans Feuerbecken neben dem großen Amboss. Die Kohle darin war erkaltet.
»Woran arbeitet dein Vater im Augenblick? Soweit ich weiß, haben Aufträge des Königs immer Vorrang.«
»Das haben sie tatsächlich. Immerhin hat er meinem Vater das Privileg zum Waffenschmieden verliehen. Ein einfacher Schmied darf keine Waffen herstellen.«
Das wusste ich bereits. Unser Dorfschmied hatte bestenfalls notdürftige Reparaturen vorgenommen, und das auch nur im Geheimen. Hätte ihn jemand dabei erwischt oder verraten, hätte er Ärger bekommen.
»Mein Vater fertigt hauptsächlich Waffen und Rüstungen für die Musketiere des Königs«, fügte Jules hinzu. »Kurz bevor unsere Soldaten in die Champagne gezogen sind, hättest du hier sein sollen. Vater musste fünf Gesellen und einen Hilfsschmied einstellen, um alles zu schaffen. Aber jetzt reicht es, wenn ich ihm helfe. Im Sommer kommen hoffentlich wieder zwei Wandergesellen, die bei uns aushelfen.«
Nachdem wir die Schmiede verlassen hatten, führte mich Jules um die Außenmauer herum. Dabei passierten wir auch eine kleine Hütte in der Nachbarschaft, die sich zwischen die sie umgebenden wesentlich größeren Häuser zu ducken schien. Neben der Haustür saß ein alter Mann.
»Wer ist das?«, fragte ich.
»Monsieur Ismael, der Schreiber.«
»Schreiber?« Ich legte den Kopf schräg. Etwas stimmte mit dem Mann nicht. Während ich ihn beobachtete, wurde seine Schwäche offenbar. »Er ist blind.«
»Gut erkannt!«
»Wie kann ein Blinder
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