Der Lilienpakt
geblieben, die es mit feindlichen Spionen aufnehmen wollte?
»Nun, wenn du mir einen kleinen Gefallen tust, verrate ich dich nicht.«
Damit griff er sich mit einer Hand an die Hose, während er mich mit der anderen weiterhin festhielt. Ich verstärkte meine Gegenwehr und versuchte ihn mit meinem Degen zu schlagen, doch sein Gewicht, das gegen meine Brust lehnte, machte das unmöglich.
Plötzlich ertönte dumpfes Geräusch. Eine Erschütterung ging durch den Körper des Schmiedegesellen. Seine Arme erschlafften plötzlich, dann verdrehte er die Augen und sank stöhnend zu Boden.
Erschrocken prallte ich zurück, als François aus dem Dunkel auftauchte. Er legte den Knüppel aus der Hand und zerrte seinen Kameraden zur Seite, wo er ihn an die Mauer lehnte.
»Hast du ihn totgeschlagen?«, fragte ich entsetzt.
»Keine Sorge, der kommt schon wieder zu sich. Ich habe ihn nur davor bewahrt, sich selbst zu schaden.«
»Ich danke dir!«
François schüttelte den Kopf und winkte ab. »Keine Ursache. Wir wussten schon lange, dass du ein Mädchen bist. Kein Bursche hat so ein schönes Gesicht und so einen zarten Körper. Als wir dann das Blut an deiner Hose gesehen haben, wussten wir Bescheid, Jacques hatte sich vorgenommen, dich zu enttarnen und dazu zu bringen, mit ihm zu schlafen.«
»Und warum hast du nichts gesagt?«
François lächelte. »Seinen Kameraden verrät man nicht. Man passt nur auf, dass er keine Dummheiten macht.«
Das hatte er getan, wenn auch auf eine Weise, die man von einem Kameraden nicht unbedingt erwarten würde.
»Seit Wochen hat er dich nicht aus den Augen gelassen. Du hast sicher gemerkt, dass er oftmals dort aufgetaucht ist, wo du warst.«
Ich nickte.
»Eigentlich war er ständig in deiner Nähe. Heute Nacht hatte er sich von seinem Lager geschlichen, um dein Fenster zu beobachten. Er hat bemerkt, dass dich irgendwas umtreibt.«
Wenn dem so war, dann ahnte sicher auch Monsieur Garos, dass ich etwas vorhatte. Sicher würde der kommende Morgen für Jules nicht angenehm werden. Auch wenn mich Monsieur d’Athos nicht als Diener einstellen wollte, konnte ich nicht zurückkehren. Jacques würde versuchen sich zu rächen, und mir würde dann vielleicht nichts anderes übrig bleiben, als ihn schwer zu verletzen oder zu töten – wenn er mir nicht zuvorkam.
»Als ich sah, dass er dich angriff, wusste ich, was ich zu tun hatte«, setzte François hinzu.
In einem anderen Fall wäre ich ihm vor Dankbarkeit wohl um den Hals gefallen, aber alles in mir sträubte sich jetzt dagegen, ihn zu berühren. Mir war noch immer übel von dem, was Jacques vorgehabt hatte.
»Wo willst du eigentlich hin?« François deutete auf den Degen im Futteral.
»Es ist besser, du weißt es nicht«, antwortete ich, womit er sich zufriedengab.
»Pass gut auf dich auf, Kleine, Paris ist ein gefährlicher Ort. Und lass es lieber bleiben, dich als Junge zu verkleiden. Du bist viel zu schön dazu.«
Er nickte mir lächelnd zu. Ich nahm die Beine in die Hand, bevor Jacques wieder wach wurde.
5
Mir behagte es gar nicht, mitten in der Nacht durch Paris zu laufen. Erst recht nicht nach Jacques’ Angriff. Doch ich biss die Zähne zusammen und strebte der Rue Saint-Michel zu. Diese mündete in die Quais, und ich hoffte, dass das Haus von Monsieur d’Athos möglichst weit von diesen entfernt war, denn dort trieb sich um diese Zeit das wohl gefährlichste Gesindel des ganzen Landes herum.
Ich ging eine Weile, lauschte dabei meinen Schritten und spähte in Ecken und Durchgänge, die vom Mondlicht nur schlecht beleuchtet wurden.
Plötzlich ertönte ein Schrei! Ich fuhr zusammen und sprang erschrocken in eine Nische zwischen zwei Häusern.
Ein Schatten huschte an mir vorbei. Erst im nächsten Augenblick erkannte ich, dass es nur eine Katze war.
Ich atmete tief durch, blickte dem Tier nach und bekreuzigte mich.
Als ich weiterging, vernahm ich auf einmal ein helles Klirren. Es musste ein ziemliches Stück entfernt sein, denn die Geräusche waren sehr leise. Doch mein empfindliches Gehör vernahm deutlich, dass es Degenklingen waren, die gegeneinanderschlugen. Irgendjemand lieferte sich ein Duell!
Obwohl es mich nichts anging, beschloss ich, nach den Duellanten zu suchen. Wenn jemand in Not war, konnte ich ihm vielleicht helfen.
Mit gespitzten Ohren folgte ich dem Degenklirren und verharrte zwischendurch mit angehaltenem Atem.
Ja, ich war auf der richtigen Spur. Die Kampfgeräusche kamen näher! Ich lief noch ein Stück in
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