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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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geblieben. Der Mann hat dein Gesicht gesehen. Läufst du ihm noch einmal über den Weg, wird er dich töten.«
    »Nicht, solange ich meinen Degen in der Hand halte.«
    Athos blickte auf meine Waffe.
    »Hast du den deinem Meister gestohlen?«
    »Nein, Monsieur, das würde ich niemals tun! Der Degen gehörte meinem Vater.«
    »Deinem Vater?«
    Der Musketier griff nach der Waffe und betrachtete sie.
    Besonderes Augenmerk legte er dabei auf die Glocke, die Parierstange und den Knauf, der nicht so recht zu dem Rest passen wollte. Ein erstaunter Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit.
    »Dein Vater muss ein ziemlich wohlhabender Mann sein, wenn er dir so eine Waffe mitgeben kann. Den Knauf muss er verloren haben, aber er wäre leicht durch einen passenderen zu ersetzen. Die Klinge und der Rest sind so edel, dass sie aus der Werkstatt von Maître Garos stammen könnten.«
    Mir wurde mulmig zumute. Was, wenn er mich zum Schmied schleppte? Oder gleich zur Maréchaussée?
    »Es ist das Einzige, was mir von meinem Vater geblieben ist«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Ich hatte keine andere Wahl, als nach Paris zu gehen. Monsieur Garos ist zwar ein guter Lehrmeister, aber ich würde viel lieber einem Musketier dienen.«
    Athos besah sich noch einen Augenblick lang die Waffe und strich beinahe andächtig über die Klinge, an der noch immer das Blut meines Kontrahenten klebte.
    »Was habt Ihr eigentlich mit ›Schwarze Lilie‹ gemeint?«, platzte es aus mir heraus. Wenn er mich schon nicht als Diener wollte, konnte er mir vielleicht meine Frage beantworten.
    Sofort hob der Mann den Kopf. »Das hast du gehört?«
    »Laut und deutlich«, antwortete ich. »Ich habe recht gute Ohren.«
    Athos’ Miene verfinsterte sich. »Ohren, die dich um Kopf und Kragen bringen könnten, wie es scheint.« Er überlegte kurz, dann sagte er: »Tja, ich fürchte, dass dir jetzt nichts anderes übrig bleibt, als mir zu dienen.«
    »Wirklich?«
    »Niemand, der sich mit Mitgliedern der Schwarzen Lilie anlegt, bleibt lange am Leben. Ich will dich ihnen nicht überlassen.«
    Damit gab er mir die Waffe zurück. Meine Frage hatte er zwar nicht beantwortet, aber das fiel mir im ersten Augenblick nicht auf. Ich war am Ziel! Freude und Übelkeit wechselten sich bei mir nun ab. Was für eine Nacht!
    »Komm mit, mein Haus befindet sich nicht weit von hier. Ich war gerade auf dem Heimweg von der Kaserne, als ich angegriffen wurde. Heutzutage können sich die Leute nicht einmal mehr anständig zu einem Duell verabreden. Man überfällt den anderen wie ein Räuber.«
    Er legte seine Hand auf meine Schulter und zog mich mit sich.
    Vor einem der Häuser am nördlichen Ende der Rue Saint-Michel blieben wir stehen. Es wirkte etwas windschief mit seinen Erkern und dem leicht eingedrückten Dach. Die Fensterläden waren verschlossen. Die Farbe blätterte großflächig vom Holz ab und gab den Blick auf den früheren Anstrich frei. Im oberen Geschoss spiegelte sich das Mondlicht in den Butzenscheiben.
    »Das ist mein prachtvolles Heim«, erklärte der Musketier spöttisch und machte eine ausladende Handbewegung. »Immerhin brauche ich mich nicht mit einem Hauswirt herumzuschlagen.«
    Damit stieß er die Tür auf.
    Abgestandene Luft strömte mir entgegen. Es roch nach ranzigem Fett und Hühnchen. In der Küche des Musketiers herrschte schlimme Unordnung. Neben der Esse, in der das Feuer längst erloschen war, lag das Feuerholz kreuz und quer. Auf dem Bord über der Feuerstelle standen Teller, Schüsseln und Becher durcheinander. Der Sand knirschte unter meinen Schuhen, und der Mondschein gewährte einen Blick auf den Küchentisch, auf dem ein in Korbgeflecht gehüllter Weinkrug zwischen Brotrinden und einem halb vollen Weinglas stand. Der ganze Tisch war von Krümeln übersät. Die Kerze auf dem kleinen Leuchter war beinahe heruntergebrannt. Wachs klebte auf dem Tisch.
    »Hier, Junge, mach Licht!«, rief Athos und warf mir etwas zu, das ich zunächst nicht erkennen konnte. Als sich meine Finger instinktiv darum schlossen, bemerkte ich, dass es sich um Feuersteine handelte, die mit einem Band zusammengeschnürt waren. Da ich keinen anderen Leuchter entdeckte, entzündete ich die Kerze auf dem Tisch.
    »Soll ich Feuer machen?«, fragte ich dienstbeflissen, während ich vorsichtig versuchte, den Leuchter vom Tisch loszubekommen. Die Menge des herabgeflossenen Wachses war enorm.
    »Müh dich nicht damit ab.« Der Musketier trat mit einer frischen Kerze in der Hand zu

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