Der Lilienpakt
mir. »Entzünde das Holz einfach damit.«
Ich tat wie geheißen und ging zur Esse. Das trockene Holz knackte, als sich die Flammen rasch darüber hermachten.
Athos zog sich die Tunika über den Kopf und ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken. »Komm, zieh mir die Stiefel aus!«
Ich hatte unseren Diener dabei beobachtet, wie er meinem Vater die Stiefel auszog. Zögernd stellte ich mich vor Athos, drehte mich um und nahm seinen Fuß zwischen meine Knie. Dann umfasste ich Rist und Ferse. Ehe ich mich versah, stemmte der Musketier seinen Fuß gegen meinen Hintern und drückte mich so kräftig nach vorn, dass ich mitsamt dem Stiefel zu Boden purzelte.
Athos lachte auf. »Glaubst du jetzt immer noch, dass es eine Ehre ist, einem Musketier zu dienen?«
»Natürlich, Monsieur!« Nachdem ich mich aufgerappelt hatte, wandte ich mich dem zweiten Stiefel zu. Gefasst auf die Kraft, die er anwenden würde, taumelte ich bei seinem Tritt zwar nach vorn, fiel aber nicht.
Athos schob die Unterlippe vor. »Du lernst schnell. Mein Vater hatte einen Stiefelknecht, der fiel auch noch nach Jahren zu Boden, wenn er ihm die Stiefel ausziehen wollte.«
Im Schein der Kerzen musterte er mich jetzt genauer.
»Du wirkst noch ein bisschen weibisch, kommst eher nach deiner Mutter, wie?«
Errötend senkte ich den Kopf und nickte, obwohl das gelogen war.
»Wie heißt du, Bursche?«
»Christian.«
»Und weiter?«
»D’Au… ahm, ich meine Dautierre.«
»Seltsamer Name«, murmelte Athos. »Ist mir bisher nicht untergekommen. Wo kommst du her?«
»Aus der Nähe von Paris. Einem kleinen Dorf.«
»Dessen Name lautet?«
Ich stockte. Welchen Namen sollte ich ihm auf die Schnelle nennen?
»Nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen, Junge!« Athos verschränkte ungeduldig die Arme vor der Brust.
»Perac«, antwortete ich schnell, denn etwas anderes wollte mir nicht einfallen.
»Ah, auf dem Lehen des Comte d’Autreville!«
Mich überlief ein eisiger Schauer. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, den Namen dieses Dorfes zu nennen. »Ja, das stimmt wohl.«
Athos bedachte mich mit einem seltsamen Blick. »Stimmt wohl? Das klingt nicht, als hättest du deinen Lehnsherrn gemocht.«
»Doch, ich mochte ihn, aber …« Was sollte ich jetzt nur sagen? Ihm erzählen, dass es den Comte nicht mehr gab? Wie hatten wir nur auf dieses unselige Thema kommen können?
»Aber ich wollte unbedingt in die Stadt«, entgegnete ich ausweichend.
Athos lächelte breit. »Ich verstehe, die Provinz ist zu ruhig für einen jungen Menschen, alles sehnt sich nach dem Glanz der Sonne, und wo scheint diese heller als hier in Paris?«
Er machte eine übertriebene Geste wie ein Jahrmarktsgaukler, doch seine Augen wirkten merkwürdig ernst, als er fortfuhr: »Wo der König lebt, da scheint die Sonne. Nur leider gibt es in dieser Stadt auch Schatten. Sehr viele Schatten sogar.«
»Meint Ihr damit die Schwarze Lilie?«
Nun verfinsterte sich sein Gesicht.
»Das sind Dinge, über die du besser erst dann nachdenkst, wenn sie dich betreffen.«
Wie gern hätte ich ihm jetzt gesagt, dass sie mich betrafen. Aber ich senkte demütig den Kopf. »Ja, Monsieur.«
Athos nickte und blickte etwas abwesend an mir vorbei. Dann sagte er: »Geh zum Brunnen und hol Wasser. Ich will mich nicht mit dem Blut meines Gegners auf der Haut ins Bett legen. Das gibt schlechte Träume.«
Als ich mit dem Wasser zurückkehrte, hatte sich Athos gerade seines Hemdes entledigt. Der Anblick traf mich dermaßen überraschend, dass ich in der Tür erstarrte. Es war nicht so, dass ich noch nie den entblößten Oberkörper eines Mannes gesehen hatte. Meine Brüder waren manchmal so durch die Wiesen gelaufen. Doch dieser Mann war fremd – und sah so gut aus, dass ich errötete.
»Was ist? Bringst du mir nun das Wasser oder nicht?«, schreckte er mich aus meiner Betrachtung.
Ich stieß die Tür mit dem Fuß zu und trug das Wasser zu der Schüssel, die er auf einen Schemel gestellt hatte. Ich wollte mich zwingen, ihn nicht anzustarren, doch meine Augen wanderten immer wieder zu seiner Brust, dem leicht muskulösen Bauch und den Armen, denen man ansehen konnte, dass sie es gewohnt waren, auch schwere Waffen zu führen. Eine seltsame Unruhe überkam mich. Meine Hände zitterten leicht, als ich das Wasser eingoss.
»Verdammt, Bursche, was ist los?«
Ich murmelte nur eine Entschuldigung.
»Und du? Ich denke, du willst dich auch waschen.«
Erschrocken schnappte ich nach Luft. Er
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