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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Kehle.
    »He, was soll das?«, rief ich und sah im nächsten Augenblick ein Messer vor meiner Nase aufblitzen.
    »Du hast meine Schwester beleidigt«, raunte mir ein Mann mit fürchterlich stinkendem Atem zu. Wo hatte ich diesen Geruch schon einmal in die Nase bekommen?
    »Tut mir sehr leid, Monsieur, ich kenne Eure Schwester gar nicht.«
    »Doch, du kennst sie!«, gab der andere zurück. »Du hast sie eben abgewiesen.«
    Jetzt dämmerte es mir! Er meinte die schmutzige, fette Frau mit den Stummelzähnen, die sich mir angeboten hatte. Den Mundgeruch schienen sie sich geschwisterlich zu teilen.
    »Ich habe sie nicht abgewiesen!«, rief ich. »Ich habe ihr nur gesagt, dass ich ihre Ratschläge nicht brauche.«
    »Damit hast du sie erst recht beleidigt! Ich will eine Entschädigung.«
    Sollte ich ihm den Wein geben? In meiner Tasche befand sich nicht ein einziger Sou. Außer …
    Das Medaillon und der Rubin! Beides würde ich diesem schmierigen Kerl sicher nicht geben.
    »Na, was ist, rückst du mit deiner Börse raus?«
    »Ich habe keine Börse«, gab ich zurück. »Mein Herr hat anschreiben lassen.«
    »Das ist Pech für dich, dann muss ich dich leider aus deinen Kleidern schneiden.«
    Ich starrte ihn erschrocken an. Heute würde es keinen François geben, der mir half. Aber ich hatte den Parierdolch. Ohne lange zu überlegen, drückte ich dessen Spitze gegen den Unterleib des Fremden.
    »Nehmt die Finger von mir weg, sonst könnt Ihr mit den Kastraten singen! Und glaubt nicht, dass Ihr mit eurem Apfelmesser schneller seid. Meine Klinge ist länger.«
    Meine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Der Mann riss die Augen auf, und als ich die Klinge ein wenig nachdrücklicher durch den Stoff seiner Hose drückte, ließ er mich los und zog auch das Messer wieder zurück.
    »Schon gut, war ja nicht so gemeint«, murmelte er und blickte nach unten. Ich ließ die Dolchspitze dort, wo sie war. Immerhin war es möglich, dass er nachsetzte, sobald ich sie wegnahm. Vorsichtig zog ich mich dann zurück, in einer Hand den Dolch, in der anderen den Krug.
    Der Mann blieb, wo er war, hinter ihm lugte seine Schwester um die Ecke. Doch keiner von beiden machte Anstalten, mich noch einmal anzugreifen.
    Dennoch musste ich mich zwingen, mich nicht ständig umzuschauen, als ich den Heimweg antrat. Ich blickte kurz auf den Weinkrug und stellte fest, dass ich nicht einen Tropfen verschüttet hatte. Offenbar war ich doch nicht so ungeschickt.
    Als ich in die Rue Saint-Michel bog, hielt ich Ausschau nach dem Schatten. Doch der Mann war verschwunden.
    An Athos’ Haus angekommen schloss ich auf und trat ein. Der Musketier lag immer noch halb über dem Tisch. Jetzt schnarchte er allerdings leise vor sich hin. Offenbar hatte der Mann, den ich beobachtet hatte, nicht versucht hier einzudringen.
    Ich stellte den Krug vorsichtig auf den Tisch und glaubte, Athos würde es nicht mitbekommen. Doch plötzlich schnellte seine Hand vor und umfasste mein Gelenk. Diesmal noch schmerzhafter als vorher.
    »Weißt du eigentlich, warum ich trinke, Junge?«, lallte er.
    Ich schüttelte den Kopf. So wie er mich ansah, machte er mir Angst. »Es ist die Schlaflosigkeit, die mich manchmal überkommt. Wenn ich nicht trinke, wandere ich die ganze Nacht durchs Haus, gequält von Gedanken. Finsteren Gedanken.«
    Was sollte ich dazu sagen? Ich selbst wurde ebenfalls von finsteren Gedanken gequält! Doch ich wollte sie nicht in Wein ertränken.
    »Ich habe Euch Euren Wein gebracht«, erklärte ich, denn er hielt mich weiterhin fest und erwartete wohl eine Reaktion von mir. »Der Wirt lässt Euch ausrichten, dass er es auf die Rechnung setzen wird.«
    Athos blickte mich verständnislos an. Das Geständnis der Schlaflosigkeit war wohl eher der Trunkenheit geschuldet als dem Bedürfnis, mir etwas mitzuteilen.
    Er bewegte seine Lippen, doch kein Wort kam mehr heraus. Schließlich ließ er mich wieder los. Sein Blick war noch immer auf mich gerichtet und ich war davon wie hypnotisiert. Wie damals Blanchet schien auch er etwas in mir zu sehen, von dem ich nichts wusste, und das war mir furchtbar unangenehm.
    Ohne seine Erlaubnis abzuwarten, zog ich mich zurück. Wenn er noch einen Wunsch hatte, würde er gewiss nach mir schreien. Als ich mich an der Treppe noch einmal nach ihm umwandte, sah ich, dass er weiterhin auf die Stelle starrte, an der ich gestanden hatte. Was hatte er in dem Augenblick gesehen? Oder war es nur die Trunkenheit?
    Irgendein Geheimnis verbarg dieser Mann.

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