Der Lilith Code - Thriller
Stätte geschändet. Sie haben Brüder und Schwestern in Jerusalem auf schreckliche Weise getötet. Jeder gläubige Muslim, gleich welcher Richtung, sieht sich jetzt im Recht, diesen Staat auszulöschen. Wir können unmöglich auf Zeit spielen. Die nächsten 48 Stunden sind entscheidend. Sie sind für Israel, aber auch für uns existenziell. Und eines noch: Der Iran wird früher oder später die Raketen starten lassen.«
Die anderen vier nickten.
Die Vorstellung einer nuklearen Katastrophe im Nahen Osten war für die junge Riege unvorstellbar. Man drohte damit, aber diese Waffe einzusetzen war nie Teil eines realen Szenarios. Doch was war jetzt noch real? Erst verunglimpfte man den Islam, dann griff man die heilige Stätte an. Was käme als Nächstes? Auch Israel würde seine Atombomben gegen Iran einsetzen. Die Folgen wären fatal. War dies vielleicht doch der in Tausenden Moscheen in aller Welt immer wieder beschworene Endkampf gegen die Ungläubigen? Sie waren allesamt zu westlich erzogen worden, als dass sie diesem Fundamentalismus anhingen, aber auf diese Situation waren sie nicht vorbereitet gewesen. Diese Situation konnte das Ende der Welt bedeuten.
Der Libyer, bislang von den anderen eher als Juniorpartner wahrgenommen, schaltete sich ein. »Sitzen wir nicht mit den Juden in einem Boot?« Seine Stimme klang über die Videoleitung noch schriller als sonst. »Sie wie wir wissen, dass unser aller Existenz auf den Spiel steht. Auch sie werden zusammensitzen und alle Optionen durchgehen. Auch sie wissen, dass sie nunmehr nicht auf Zeit spielen und trotzig durchhalten können. Wir sollten mit ihnen reden.«
Jetzt sprachen alle durcheinander. Das Letzte, was sie sich vorstellen konnten, waren Gespräche mit den Juden. Der Älteste in der Runde, der Libanese, hatte sich lange zurückgehalten. Aber er konnte und musste jetzt mit offenen Karten spielen.
»Ich habe das bereits vor einer Stunde getan.« Er blickte auf die vier Bildschirme vor sich. Er sah entsetzte Gesichter.
Frankfurt am Main, 22. 06., 0.30 Uhr CET
Der Tod begleitet das Leben wie der Schatten das Licht.
Aus: Rafik Schami »Der ehrliche Lügner«
»Das kann ich nicht tun. Die Gefahr ist viel zu groß, das Pergament zu beschädigen. Ja, eine Letter ist etwas merkwürdig. Das kann aber auch Zufall sein.«
Jan konnte sich kaum halten. Sie waren dem vielleicht wichtigsten Hinweis auf der Spur, und der Alte hier wollte ein »Fundstück nicht beschädigen«. Wenn sich unter der alten Schrift eine jüngere Schriftform befand, konnte das die Lösung sein. Denn dann war dieses Blatt eindeutig eine Fälschung.
»Werter Herr Poch, nach meinem Wissen haben Mönche es jahrhundertelang gemacht. Sie zerstörten das Alte und Unliebsame, um das Wahre und Neue aufzutragen. Wir machen es jetzt nur anders herum. Sie lösen mit dem Blaulaugensalzdie erste Schicht, sehen nach, was darunter ist, und wir sind alle einen Schritt weiter.« Er hatte seine Stimme halbwegs unter Kontrolle, zumal er wusste, dass der Alte ihn liebevoll betrachtete.
»Mein lieber Jan, diese Chimäre mit den Mönchen rührt von der Lektüre anspruchsloser historischer Romane her, wo sinistre Mönche aristotelische Texte aufs Übelste vernichten, indem sie sie ins Feuer werfen. Nein, so war es nicht. Zumeist jedenfalls nicht. Pergament war teuer in der Herstellung und somit im Erwerb. Es lag einfach nahe, alte Texte, die sich überholt hatten, zu überschreiben. Meist nahm man einen Bimsstein und kratzte die alte Schrift ab. Abwaschen kam auch in Frage. Palimpsestierung war zwischen dem 7. und dem 15. Jahrhundert gängige Praxis, nicht überall, aber in den Zentren der Schreibkunst ganz sicher. Solche Werke jedoch zu zerstören, und die Gefahr besteht eben bei dem Einsatz von Blaulaugensalz, scheint mir doch ein zu großes Risiko zu bedeuten.«
Elijah war hinter dem Alten getreten. Er legte ihm seine Hand auf die Schulter und redete auf Hebräisch mit ihm. Immer wieder schüttelte der Alte widerwillig den Kopf und murmelte.
Dann wurde es still in dem Arbeitszimmer, in dem es stickig heiß war.
Regina war mittlerweile aus dem Zimmer gegangen, um auf dem rückwärtigen Balkon eine Zigarette zu rauchen. Sie spürte, dass ihre Anwesenheit nur stören würde. Außerdem wollte sie die nächsten Schritte durchdenken.
Faruk kam ihr nach. »Es tut mir leid. Sein Tod war weder mein Wille noch mein Tun. Du musst mir glauben.«
Sie schaute ihn durch den Rauch an. »Warum sollte ich das tun? Euer
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