Der Lilith Code - Thriller
Hauses fragte.
»Aha, und welche?«
»Keine Frau würde hier mit der Vermietung allein überleben. Sie vermittelt junge irakische Flüchtlingsfrauen als Prostituierte an die Lastwagenfahrer, die aus Jordanien hierher kommen. Das ist zwar verboten, aber es ist ihr einziges wirkliches Auskommen.«
Regina war über die nüchterne Betrachtung dieser Notlage entsetzt gewesen, hatte jedoch keine Regung gezeigt.
Die Nacht kündigte sich an, doch die hohen Temperaturen des Tages sanken nicht. Immer wieder wehte ein heißer, trockener Wind aus der östlichen Wüste. Sie wollten das gegenüberliegende Haus, in dem Faruk den alten Mann vermutete, vom Dach aus beobachten, die Anzahl der Bewohner feststellen und dann unbemerkt hineingehen. Es war in der Form eines Würfels gebaut, der von einer großen weißgekalkten Mauer umgeben war. Auf dem Dach befand sich eine große Satellitenschüssel, und nur ein geübtes Auge erkannte die hochmoderne Kommunikationsanlage daneben. Diese Anlage garantierte auch bei Ausfall der staatlichen Strom- und Telefonanlagen jederzeit Gespräche in das In- und Ausland. Ungewöhnlich in einem Staat, der erst mit dem neuen Präsidenten den Zugang zum Internet Anfang des 21. Jahrhunderts für alle Bürger zugelassen hatte.
Im rückwärtigen Bereich befand sich ein karger Garten, der das Hauptanwesen von einem kleineren Kubus, einem Anbau, trennte. Waren syrische Häuser mit wenigen Fensternausgestattet, gab es hier auf den ersten Blick nur eines. Diese Besonderheit war aber nur von hier oben einzusehen. Von der Straße wirkte es wie ein normales arabisches Haus eines reichen Bürgers.
»Fischers Haus an der Küste wird von einer Sonderabteilung der Armee bewacht. Hier aber scheint er eigene Wachmannschaften zu haben. Er wird von einem Deutschen gefahren. Dick und einst blond, jetzt eher weiß. Es scheint sein Sohn zu sein. Er wirkt tumb, aber gefährlich. Dazu gibt es noch eine ältere Frau, ihre Herkunft ist mir unklar geblieben. Ein Mann, für einen Araber zu groß, fast hünenhaft, ist immer in seiner Nähe. Er wirkt kampferprobt und sehr wachsam. Er trägt seine Waffen auf dem Rücken und am Bein. Fischers Lieblingsfahrzeug ist ein Mercedes, altes Baujahr, aber gepanzert. Ist vor fünf Jahren über Zypern geliefert worden. Vorheriger Besitzer war ein Politiker aus dem Süden Deutschlands. Das Haus scheint hier ausgebaut worden zu sein. Bei meiner letzten Observation waren sowohl die Einfahrt, die Satellitenanlage auf dem Dach als auch der Anbau hinter dem Haus nicht da. Mein Informant hier in Bosra ist vor einem Monat tödlich verunglückt.«
Regina sah ihn fragend an. »Haben sie dich entdeckt?«
»Nein, oder besser, sehr unwahrscheinlich. Er war ein Einheimischer, erstellte für mich auch einen Grundriss des Hauses. Ein Bauarbeiter, der half, den Komplex dort drüben zu erweitern.« Sie sah ihn skeptisch an, aber Faruk wiegelte ab. »Der Informant war ein notorischer Trinker. Vor wenigen Wochen starb er bei einem Versuch, illegal Strom von einem Überlandmast anzuzapfen. Nichts Ungewöhnliches hier. Es gab keine Hinweise auf Fremdeinwirkung.«
Jemand schaltete in dem Raum mit dem Fenster, nach Faruks Beschreibungen die Küche, das Licht an. Regina fokussierte ihr Glas auf die Person. Es war eine Frau. Sie trug ein Kopftuch. Ein hageres Gesicht war zu erkennen. Sie bereitete etwas zu, verpackte es in einen Rucksack.
Regina dachte unwillkürlich an die Vorbereitungen ihres Vaters, wenn es zum Bergsteigen ging. »Will da drüben jemand verreisen?«, flüsterte sie.
Faruk sah durch sein Fernglas. »Sieh mal auf neun Uhr. Erkennst du da was?«
Regina schwenkte leicht nach links. Es war der Verbindungsweg zum Anbau. Sie schaltete ihr Fernglas auf Nachtmodus, und das Gesichtsfeld strahlte in einem sirrenden Grün. Sie zoomte heran. Sie konnte es nicht glauben. Diese kleine, leicht ein Bein nachziehende Person, die Hände auf dem Rücken gefesselt und einen Kaftan tragend, war – Almut.
»Ist sie das?« Faruk wendete sich Regina zu.
Sie nickte und starrte auf die Frau im Kaftan. Hinter ihr hielt ein Hüne mit einer Sturmhaube den Arm der Frau. Plötzlich stolperte sie. Der Mann riss sie brutal hoch und stieß sie wieder vorwärts. Dann verschwanden sie aus dem Sichtfeld in den Anbau.
»Verdammt!« Faruk fluchte.
In der Einfahrt regte sich etwas. Jemand schritt aus dem Haus, riss die Wagentür auf und startete das Auto. Es war ein Mercedes S-Klasse.
»Was machen wir?«, fragte Regina.
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