Der Lilith Code - Thriller
gefahren war, kurz verloren, von weitem aber dann die auffälligen Scheinwerfer gesehen. Die S-Klasse hielt am südlichen Rand des Ruinenfeldes. Hier, wo tagsüber Hunderte von Touristen, die Syrien als Geheimtipp entdeckt haben, die Reste römischen Lebens in Bosra bestaunten, lag jetzt nach Einbruch der Dunkelheit alles still im fahlen Licht der gelben Straßenlaternen. Und umso imposanter und geheimnisvoller wirkten die Ruinen der Therme und der Säulenstraße. Faruk hatte sein Moped abgestellt und sich leise an das Auto herangeschlichen. Der Wagen war verlassen. Erstaunlich, wie schnell der Alte aus dem Wagen gekommen war. Der Syrer war unsicher. Er hielt den Atem an und lauschte nach Stimmen. Nichts. Er atmete aus und wieder ein. Streunende Hunde liefen unter den gelben Flächen der Laternen, verweilten kurz, sahen zu ihm und witterten.
Das Ruinenfeld umfasste mindestens einen halben Quadratkilometer, es beinhaltete alles, was den römischen Herrschern gut und wichtig erschienen war. Selbst ein künstlicher See für Seeschlachten, monumentale Heiligtümer wie auch die obligatorischen Thermen waren hier am Rand der Wüste erbaut worden. Jetzt war alles zerfallen, und das Areal wurde immer wieder als Steinbruch für die modernen Bauten benutzt, die sich um das Ruinenfeld angesiedelt hatten.
Auf der Säulenstraße, der ehemaligen Hauptverkehrsachse der antiken Stadt, knatterte ein Moped. Er sah den Mann, fast auf dem Tank sitzend, und auf dem Rücksitz eine Frau und noch zwei kleine Kinder. Für diese Familie war das Moped, so klein und eng es darauf war, ihr Schiff durch die Dunkelheit. Ein Bild der Geborgenheit, fand Faruk für einen kurzen, sentimentalen Moment. Hinter dem Zaun zu einem Restaurant hörte er etwas plätschern. Er duckte sich hinter einer zerbrochenen Säule und schaute vorsichtig in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Schemenhaft sah er eine Figur, die sich die Hose wieder hochzog. In gebückter Haltung lief er entlang der Säule, um der Person näher zu kommen. Sein Instinkt trog nicht. Es war der dicke Fahrer. Fischers mutmaßlicher Sohn. Der ging, nachdem er sich die Hände an seiner Hose abgewischt hatte, Richtung Theater. Faruk folgte ihm, in der Hoffnung, dass er ihn zu Fischer führte.
Kurz vor dem Eingang in einen Wehrgang, der in das Halbrund führte, drehte sich der Dicke um. Er reckte den Kopf, schnüffelte wie ein Hund und kniff die Augen zusammen. Dann spuckte er auf den Boden und wackelte weiter. Faruk folgte ihm weiter. Das Amphitheater war von den Römern in eine alte Burg der Nabatäer hineingebaut worden. Jenem Volk, das auch die Felsenstadt Petra in Jordanien gründete.
Hinter der Eingangstür stieg der Dicke die steinerne Treppe zu den Tribünen hinauf. Von dort blickte man auf eine 35 Meter lange Bühne, die mit korinthischen Säulen und vielen kleinen Nischen ausgestattet war.
Drei horizontale Laufgänge gliederten die Tribüne in Ränge, die untereinander durch Treppen verbunden waren, einem modernen Fußballstadion ähnelnd. 15 000 Menschen hatten hier Platz. Die Stufen waren ungleichmäßig, und so gerieten Faruk wie auch der Dicke schnell aus der Puste. Der Dicke schien sich so sehr anzustrengen, dass er seinen Verfolger und dessen Schritte nicht wahrnahm. Faruk nahm dieTreppe zum höchsten Rang. Fast wäre er in das Blickfeld des Alten gelaufen. Schnell wich er nach rechts aus und blieb direkt unterhalb des höchsten Ranges in einer Nische stehen. Hier schienen sich die Touristen zu erleichtern, denn die kleine Abseite roch stechend nach Urin. Faruk, der schlechte Gerüche so sehr hasste, musste sich zusammenreißen und einen Würgereiz unterdrücken. Nur die dunklen Basaltsteine des Ranges über ihm trennten die Deutschen von ihm. Eine Bruchkante ermöglichte Faruk, die Schuhe der beiden zu sehen. Der Alte musste direkt über seinem Kopf sitzen, vor ihm stand sein Sohn. Faruk sah seine braunen Trekkingschuhe und die weißen Socken. »Er war noch nicht da, als ich unten am Wagen stand. Vielleicht ist ihm etwas dazwischengekommen?«, kam es von oben.
Der Dicke atmete schwer. Dann hörte Faruk die brüchige Stimme und erschauerte.
»Er wird kommen, er ist immer gekommen. Es ist ihm zu wichtig, und ich bin ihm zu wichtig. Übe dich in Geduld, Günther.«
Ein Streichholz wurde entzündet und in Faruks Richtung geworfen. Er sah, wie das Holz langsam abbrannte und dann verglimmte.
Die Minuten vergingen. Der Dicke rauchte mittlerweile seine dritte
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