Der Lilith Code - Thriller
schlecht.
»Das heißt, dass es eine Verbindung zwischen dieser Almut und dem Jungen im Krankenhaus gab?«, fragte Abdul.
»Ja, und der Junge ist verschwunden«, ergänzte Jan.
»Darf ich dir etwas aus dem Buch vorlesen, das wir nicht verstehen, das aber eine große Bedeutung für Almut zu haben schien?«
Abdul nickte, und Regina begann mit den Buchstabenreihen, als hinter ihr ein spitzer Schrei alle auffahren ließ. Ein Tablett mit einer Wasserkaraffe fiel zu Boden. Fatima stand schreckerstarrt in der Tür zur Terrasse.
Manbej, 16. 06., 22.30 Uhr
Die im Hadith enthaltenen Vorschriften, Aussprüche sowie Berichte über das exemplarische Handeln (Sunna) des Propheten werden von den Muslimen als göttliche Eingebungen angesehen, die zunächst mündlich (über mehrere Jahrhunderte) und dann schriftlich überliefert wurden. Neben dem Koran wird der Hadith von den Muslimen als zweithöchste autoritative Schrift betrachtet. Es existiert eine Vielzahl von Sammlungen, wobei jede islamische Gruppe bestrebt ist, ihre eigene zu besitzen. Da im Koran nur wenige Vorschriften, Riten und doktrinäre Stellungnahmen enthalten sind, greifen die meisten Muslime zur Bekräftigung ihrer Riten, Gesetze und Theologie auf den Hadith zurück.
Aus: Die Welt der Religionen, Die Schiiten
Fatima flüsterte leise auf Arabisch. Abdul, für sein Alter erstaunlich behände aus seinem Sessel aufgestanden, wollte ihr beruhigend die Hände auf die Schulter legen. Sie wehrte ihn ab, redete auf ihn ein. Er drehte sich zu Regina, die ebenfalls mit großen Augen auf die beiden blickte.
»Sie sollen nicht weiterlesen. Es ist ein Fluch. Fatima kennt ihn aus ihrem Dorf.«
Plötzlich fiel Jan das schreckliche Ereignis am Vormittag auf dem Dach in Aleppo ein.
Abdul konnte mit Mühe seine Frau beruhigen, die sich jetzt zu den dreien gesetzt hatte. »Der Fluch ist aus vorislamischer Zeit. Diese Worte wurden benutzt, um Feinde zu quälen und aufzuhalten.« Abdul hielt das Buch in seinen Händen, zog es vor und zurück. Seine Frau erhob sich und brachte ihm die Lesebrille. »1500 Jahre vor unserer Zeitrechnung oder, wie ihr es sagt, vor Christi Geburt, gab es an der Küste Syriens und des heutigen Libanons kleine, aber sehr reiche Handelsstaaten, darunter Ugarit. Diese Staaten lebten vom Handel mit anderen Mittelmeerländern. Im14. Jahrhundert v. Chr. wurde das erste Alphabet dort entwickelt, dreißig Zeichen ersetzten nun über tausend Silben, die moderne Schrift war geboren. Zwei Jahrhunderte lang prosperierte dieses kleine Reich mit seinen Handelsbeziehungen von China bis nach Marokko, vom Sudan bis zum heutigen Skandinavien. Dann, im Jahre 1192 vor der Geburt eures Heilands, brach die Katastrophe über den Landstrich herein: der Sturm der Seevölker. Habt ihr davon schon einmal gehört?«
Regina und Jan schüttelten den Kopf.
»Völker aus dem Westen überfielen in mehreren Angriffswellen die Levante, zerstörten alles und veränderten nachhaltig alle Großreichstrukturen der damaligen Zeit. Krankheit, Tod und Zerstörung sollen sie gebracht haben. Nur die Ägypter hielten mit Mühe den Angriffen stand. Woher diese Völker kamen und was sie wirklich wollten, ist völlig unklar. Sicher ist lediglich, dass es die größte Umwälzung seit Jahrtausenden war. In der Forschung gehört dieser Bereich zu den umstrittensten und kompliziertesten überhaupt.«
Jan begriff nicht, welchen Zusammenhang diese Geschichte des Landes mit Almut und Yussef haben sollte. »Das ist 3000 Jahre her. Egal, was damals passierte, es hat doch keine Verbindung zur Gegenwart.«
Abdul lächelte. »Mit dem Untergang Ugarits und der Flucht seiner Bewohner in das Landesinnere verbreitete sich ihr Kult bis in das heutige Persien. Kulte und Religionen überhaupt überlebten, wenn sie aufgeschrieben wurden. Bislang glaubte man, dass der Ugarit-Kult tot sei. Aber bestimmte Riten finden sich in allen Religionen wieder. Sie werden nur überdeckt. Alle drei monotheistischen Religionen haben von früheren Kulten Formen übernommen. Das Christentum hat stark bei den Ägyptern geklaut, die Isis mit Horus auf dem Schoß ist der Vorgänger Marias mit dem kleinen Jesus. Der Halbmond, das Zeichen des Islams, geht zurück auf den Mondkult der Babylonier. Und auch unsere jüdischen Brüder und Schwestern haben genausoihre Wurzeln im Baalkult, auch wenn sie den gern und häufig in ihren Schriften ablehnen. Ich vermute, dass eure Almut genau hinter diesen verschütteten Riten und Kulten her
Weitere Kostenlose Bücher