Der Lilith Code - Thriller
einem Ziel: die endgültige Vernichtung unserer Heimat.« Die letzten Worte hatte er geschrien. »Lea, du wirst mir zu pazifistisch auf deine alten Tage.«
Sie lächelte, denn sie merkte, dass er das Gespräch halbwegs freundschaftlich beenden wollte.
»Wo ist das Arschloch Elijah jetzt?«, wollte er noch wissen.
Sie fluchte innerlich. Sie musste nun die Wahrheit sagen. »Wir haben keine Ahnung, vermutlich in Deutschland.«
Shlomo schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf.
Berlin, 20. 06., 18.15 Uhr
Keines verbleibt in derselben Gestalt, und Veränderung liebend schafft die Natur stets neu aus anderen andere Formen, und in der Weite der Welt geht nichts – das glaubt mir – verloren; Wechsel und Tausch ist nur in der Form. Entstehen und Werden heißt nur anders als sonst angefangen zu sein, und Vergehen nicht mehr sein wie zuvor (…) Im Ganzen ist alles beständig. Unter dem selbigen Bild – so glaub’ ich – beharrt auf die Dauer nichts in der Welt.
Aus: Ovid »Metamorphosen«
Schweißüberströmt waren sie in die Wohnung des Freundes gekommen. Der Altbau hatte fünf Etagen und war angesichts der Nähe zu den Parlamentsgebäuden und der Charité, dem Renommee-Krankenhaus der Stadt, sehr beliebt bei Politikern und Ärzten. Unter der Woche tagsüber war es hier sehr still. Die Mieter arbeiteten. Regina stieg vorsichtig die Holztreppe hinter Jan hoch, er schloss auf, sah aber nicht, wie Regina die Waffe aus ihrem Hosenbund am Rücken hervorzog.
Die Wohnung bot ein Bild der völligen Verwüstung. Fünf Zimmer gingen von einem langen Flurschlauch ab, dessen Boden mit Kleidung, Fotos und anderen Gegenständen übersät war. Jemand schien sehr gründlich nach etwas gesucht zu haben.
Jan lief von einem Zimmer zum anderen, während Regina die Tür anlehnte und mit gezogener Waffe wartete.
»Hier ist keiner mehr«, rief Jan vom anderen Ende des Flurs und kehrte zurück, sein Gesicht war weiß. »Wir müssen die Polizei informieren. Regina, das hier ist kein Spaß mehr.«
Sie hatte die Waffe wieder in den Hosenbund gesteckt. »Komm mit.« Sie zog ihn in das Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein. Eine Sondersendung. Sie schaltete weiter. Auf allen Kanälen wurde von dem Anschlag auf das Konsulat in Berlin berichtet. Nach wenigen Sekunden folgten ihre verschwommenen Bilder und eine Beschreibung. Sie wurden gesucht.
Jan konnte es nicht glauben. Das war ein Alptraum. Wie sollten sie das erklären? Sollten sie der Polizei sagen, dass der Anschlag eigentlich ihnen galt?
Regina schien ähnliche Gedanken zu haben. »Was wollen wir der Polizei erzählen? Ich weiß doch aus eigener Erfahrung, dass sie uns bestenfalls für Spinner halten, aber eher für Killer, die anderen in die Quere gekommen sind. Tagelange Verhöre. Medien, unsere Namen. Wir hätten keine Chance. Und erst wenn wir im Leichenschauhaus liegen wie die Historikerin, lösen sie vielleicht die Zufälle auf.«
Er schaute sie erschöpft und wütend an. »Was ist dein Vorschlag?«
Ehe sie antworten konnte, hörten sie Schritte draußen im Flur. Jemand kam langsam die Treppe hinauf. Regina legte den Finger auf den Mund, deutete auf die Küche. Jan trat vorsichtig über die verstreuten Kleider und stellte sich an die Küchenwand. Regina huschte hinter die Wohnungstür. Der Eindringling hatte mittlerweile ihre Etage erreicht. Jan hielt den Atem an. Die Person blieb stehen. Regina stand hinter der Tür, ihre Beine leicht versetzt, damit sie im Zweifel seitlich ausweichen konnte. Sie sah den Fuß, dann den Lauf. Mit ihrem gesamten Körper warf sie sich gegen die Tür, klemmte den Arm ein. Die Waffe fiel. Sie riss die Tür wieder auf, sah den Mann, zog ihn in das Zimmer. Doch der hatte damit gerechnet. Er tauchte unter ihrem Arm hinweg, trat mit großer Härte aus kurzer Distanz gegen ihrKnie und schlug ihr mit der freien Hand in die Leber. Sie keuchte auf.
Für den Bruchteil einer Sekunde blieb ihr die Luft weg. Jan stand im Flur, ein Fleischermesser in der Hand. Er sah auf die beiden Kämpfenden und schrie. Denn den Eindringling kannte er nur zu gut.
Eduard hatte sich den Eisbeutel sehr höflich mit Regina geteilt. Sie saßen in der Küche und kühlten ihre Wunden. Eds eingeklemmter Arm schien nicht gebrochen zu sein, aber Reginas Knie sah übel aus. Jan tastete vorsichtig über das stark angeschwollene Gelenk. »Ich hole noch etwas zum Abschwellen aus der Apotheke unten.« Er legte ihr Bein vorsichtig auf einen zweiten Stuhl. Dann
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