Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
deine Fragen! Du wirst inzwischen doch sicher welche haben.«
»Und du wirst ehrlich antworten, wenn ich frage?«
»Warum sollte ich das nicht tun?«
Danni setzte sich und versuchte, ihren Ärger über Colleens ausweichende Antwort zu verbergen. Sie wollte Seans Großmutter Fragen über ihn stellen, aber irgendwie hatte sie auch Angst davor - Angst, dass das Aussprechen dieser Fragen ihr das zerbrechliche Glück nehmen könnte, das sie gefunden hatte. Und obwohl Danni wusste, wie unsinnig diese Art zu denken war - weil sie heute Abend beide tot sein würden -, konnte sie trotzdem nicht mit Sean beginnen.
»Was ist mit meiner Mutter geschehen?«, erkundigte sie sich stattdessen.
»Sie ist nach Amerika gegangen«, erwiderte Colleen.
»Versuch es doch mal mit etwas, das ich noch nicht weiß«, gab Danni gereizt zurück. »Warum hat sie meinen Vater verlassen? War es wegen Niall?«
»Darüber weiß ich weniger als du. Ich kann dir nur sagen, dass sie dich und deinen Bruder nahm und loszog, um ihre Schwester zu suchen.«
»Ihre Schwester? In Kalifornien?«
»Ich glaube ja, doch ich würde es nicht beschwören.«
»Sie nahm uns also beide mit? Mich und Rory? Aber was ist aus ihm geworden? Und warum hat sie mich in Arizona abgesetzt und im Stich gelassen?«
Colleen blickte auf ihre Füße herab und schüttelte den Kopf. »Ich kann nur raten, wenn ich von dem ausgehe, was ich von dir und von ihr weiß - und wovon ich hoffe, dass es ist, wie es ist. Ich glaube, dass sie ihre Schwester gefunden hat und Rory bei ihr gelassen hat. Dann brachte sie dich nach Arizona - aber frag mich nicht, warum, denn das kann ich dir nicht sagen.«
»Und was könnte dann geschehen sein?«
Colleen warf Danni einen düsteren Blick zu und zuckte mit den Schultern. »Es kann nur etwas Schlechtes sein, denn nichts anderes hätte sie von ihren Kindern ferngehalten.«
»Es sei denn, sie hätte beschlossen, Rory wieder abzuholen und mich zurückzulassen.« Die Worte brannten Danni in der Kehle.
»Das glaubst du doch selbst nicht, oder? Für mich ist das jedenfalls völlig undenkbar.«
Danni wusste nicht, was sie noch glauben sollte. Aber vielleicht war dies ihre einzige Chance, die Wahrheit herauszufinden, und sie konnte sich jetzt nicht vor Fragen drücken, die keinen Aufschub duldeten, nur weil sie Angst vor den Antworten hatte.
»Und wie war das mit Sean?«, flüsterte sie. »Wie ist er gestorben?«
»Hast du das nicht selbst gesehen?«
Danni verschränkte die Arme und blickte an Colleen vorbei zur See. »Was ich sah, war sehr verwirrend. Ich konnte nicht genau erkennen, was geschah. Ich glaube, Sean - der junge Sean - war da schon tot. Er lag auf dem Boden, und Niall hielt ihn in den Armen. Sie waren in der Höhle unter der Ruine.«
Sie blickte noch gerade rechtzeitig zu Colleen hinüber, um zu sehen, wie ihre Augen schmal wurden und etwas darin aufglomm. Ein Hoffnungsfunke vielleicht oder auch Verzweiflung - Danni konnte es nicht deuten.
»Meine Mutter ist mit mir und Rory dort in dieser Höhle«, fuhr sie leise fort.
»Und was ist mit mir?«, fragte Colleen.
Danni schüttelte den Kopf. »Da ist noch ein anderer Mann, aber ich kann ihn nicht sehen. Ich weiß nicht, wer er ist, doch er ist sehr erregt und streitet mit meiner Mutter - oder Niall. Meinen Vater sehe ich gar nicht. Er kommt wahrscheinlich erst später. Zu spät, um ihnen beizustehen.«
»Und ich bin nicht dort?«, wiederholte Colleen scharf.
»Nein. Solltest du?«
»Seit Michael ein Junge war, habe ich es gesehen«, erwiderte sie leise. »Und auch wenn ich keine Ahnung habe, wie, weiß ich, dass ich es erlebt habe.«
»Erlebt? Wie soll ich das verstehen?«
Colleen schüttelte den Kopf. »Erzähl mir mehr!«
Danni wollte nicht lockerlassen, doch Colleens eindringliche Miene veranlasste sie fortzufahren. »Der Streit zwischen dem Mann, den ich nicht sehen kann, und Niall oder meiner Mutter scheint zu eskalieren, und ich höre eine Waffe losgehen, und plötzlich durchzuckt mich Schmerz. Ein scharfer Schmerz, als wäre ich angeschossen worden. Und dann bin ich plötzlich wieder draußen im Freien, und Sean ist bei mir. Der erwachsene Sean. Wir stehen neben einem Grab, und als ich hineinschaue, sehe ich mich selbst - so wie ich heute bin. Als erwachsene Frau, die in einem Grab mit Michael liegt - dem jungen Sean.«
»Und die Ruinen liegen hinter dir, der Dolmen in der Ferne.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich es selbst gesehen habe, viele Male
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