Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
ließ sich widerstandslos von ihr in das Haus führen.
Das vordere Zimmer war halb dunkel, die Luft geschwängert von Zigarettenrauch, der in Kräuseln durch das Zimmer waberte, die Wände beschmutzte und den Spiegel trübte, der neben der Tür hing. Braune Vorhänge bedeckten die Fenster, alle fest geschlossen bis auf einen, der oben einen kleinen Spalt geöffnet war. Michael und sein Bruder standen wie erstarrt in der Mitte des Zimmers, während die aufgebrachten Stimmen noch lauter, wütender und feindseliger wurden. Schließlich setzten sich die Jungen wieder in Bewegung, leise und schleichend wie der Staub und der Rauch in dem einzelnen Lichtstrahl, der durch die Vorhänge hereinfiel. An der Küchentür blieb Michael stehen und schob seinen Bruder hinter sich, als er einen Blick in die Küche warf. Danni konnte seine Angst spüren, die auch sie packte und dazu veranlasste, sich schneller zu bewegen.
»Ein verdammter Idiot bist du, denke ich«, sagte eine Frau mit schriller Stimme.
Danni bog um die Ecke und betrat die kleine Küche. Die Frau, die gesprochen hatte, war klein und viel zu dünn, hatte leuchtend rotes Haar, das zu auffallend war, um ungefärbt zu sein, und dunkelbraune Augenbrauen. Ihr Gesicht war eckig, ihre Wangen eingefallen, doch in den feinknochigen Zügen, dem spitzen Kinn und den klaren blauen Augen konnte Danni Seans Bruder wiedererkennen. In der einen Hand hielt seine Mutter eine Teetasse und eine Zigarette mit einem alarmierend langen Aschestreifen an der Spitze, und mit einem Finger der freien Hand stieß sie nach dem Mann, der vor ihr stand. Ihre Bewegungen waren schwerfällig und ungelenk. Ganz offenbar war es kein Tee, den sie da trank.
»Du hältst mich wohl für eine arme Närrin, du verdammter Bastard, du?«, kreischte sie, die roten Lippen zu einer unschönen Grimasse verzogen.
»Mit der ersten Hälfe hast du recht. Ich halte dich für eine arme Närrin, und für eine betrunkene noch dazu, Brigid«, versetzte der Mann und wandte sich mit einem resignierten Seufzer ab. Danni wusste bereits, wer dieser hünenhafte Mann mit den breiten Schultern und langen Beinen war, bevor sie sein Gesicht sah. Niall Ballagh, der Mann, auf den sie sich konzentriert hatte, als sie versucht hatte, die Vision heraufzubeschwören. Und trotzdem war ein Teil von ihr noch immer überzeugt davon, dass es Sean war, der Zeit und Ort der Vision bestimmt hatte.
Die Jungen standen unbemerkt im Schatten der Türöffnung und sahen mit blassen Gesichtern und großen Augen zu, wie Niall eine Flasche von der Arbeitsfläche nahm und sich ein Glas einschenkte. Wie er den Whisky in einem Zug hinunterstürzte und sich nachschenkte.
»Meinst du, ich käme gern zu so etwas nach Hause?«, fuhr er die Frau an. »Ich schufte mich den ganzen Tag zu Tode, während du mit jeder Flasche noch unleidlicher und gemeiner wirst. Denkst du eigentlich nicht an die Jungen? Sie werden jeden Augenblick nach Hause kommen.«
»Nach Hause?«, höhnte sie. »Das hier ist kein Zuhause, sondern nur eine miese kleine Hütte. Ein verdammter Miststall ist das, hörst du?«
»Ganz Ballyfionúir hört dich kreischen, Frau.«
»Oh Gott, warum ich dich geheiratet habe, werde ich wohl nie verstehen. ›Klar, er ist ein gut aussehendes Mannsbild‹, sagte meine Mum. ›Aber er wird es nie zu etwas bringen, wenn er es bis jetzt noch nicht geschafft hat. Er hat ja heute schon den Gestank von Fisch an sich‹, sagten meine Eltern. ›Und den wird er wohl auch nie mehr loswerden, bis er stirbt.‹«
»Das Leben eines Fischers ist ein durchaus ehrenwertes, Frau. Es gibt schlimmere Dinge, die ein Mann tun kann, um etwas zu essen auf den Tisch zu bringen.«
Benebelt vom Alkohol und getrieben von dem zwanghaften Bedürfnis, ihren Mann zu erniedrigen und zu verletzen, ihm seinen Stolz zu nehmen und sein Leben, seine Welt mit ihrem fatalen Frust und Groll zu vernichten, fuhr Brigid mit schon ziemlich undeutlicher Stimme fort: »Aber ich wollte ja nicht auf meine Eltern hören. Ich werde nie verstehen, warum ich nicht auf sie gehört habe.«
»Nein, und das wird mir auch immer ein Rätsel bleiben«, versetzte Niall. »Ich habe dich zu nichts gezwungen. Ich habe dir keine Waffe an den Kopf gehalten.«
»Hättest du es doch getan! Ich wünschte, du hättest mir das Hirn aus dem Kopf geblasen, das wünschte ich, oh ja!«
Brigid leerte ihre Teetasse in einem Zug und versuchte dann, Niall die Flasche abzunehmen. Aber er rang mit ihr darum und stieß sie
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