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Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)

Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)

Titel: Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Quinn
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an den Haken an und warfen sie aus. Es war eine anstrengende Arbeit ohne Pausen, die Sean aber irgendwie beruhigte und es ihm ermöglichte, dem Druck seiner Gedanken standzuhalten, ohne sich richtig mit ihnen auseinandersetzen zu müssen.
    Michael und Trevor arbeiteten den ganzen Morgen Seite an Seite. Michaels Reizbarkeit und Feindseligkeit vom Vortag waren verschwunden, an ihre Stelle waren Kameradschaftlichkeit und Heiterkeit getreten. Während der Arbeit blickte Niall immer wieder stolz zu seinen Söhnen hinüber. Und heute lächelten beide zurück.
    Der Tag schritt mit der Sonne und der Flut voran. Als innerhalb relativ kurzer Zeit der Frachtraum voll war, beschloss Niall, heute früher Schluss zu machen. Sean war froh darüber. Er musste Danni sehen und ihr erklären, warum er am Morgen so abweisend gewesen war. Hoffentlich verstand sie, dass es Schock gewesen war, was ihn so schweigsam und verschlossen gemacht hatte, und dass es nichts mit ihr zu tun gehabt hatte.
    Als sie die Leinen eingeholt hatten und sich auf den Rückweg machten, ging Sean zu seinem Vater. Es war beschaulich und auch irgendwie beruhigend, bei dem Mann zu sein, den er mit solch widersprüchlicher Heftigkeit geliebt und auch gehasst hatte. Sie hatten heute die gleiche Größe, waren beide muskulös und hatten schwere, starke Knochen. Stämmige Männer mit großen Händen und breiten Schultern, dem perfekten Körperbau für harte körperliche Arbeit.
    »Das ist ein großartiger Kahn«, sagte Sean, als er sich an das Armaturenbrett lehnte.
    Niall lachte leise. »Die Titanic ist sie nicht, aber sie ist aus unserem schönen Irland und sehr seetüchtig.«
    »Nun, das Letztere ist mehr, als die Titanic von sich behaupten konnte.«
    »Allerdings.«
    Eine Weile fuhren sie schweigend weiter, dann fragte Niall plötzlich: »Was tust du hier, mein Junge?«
    Die Frage überraschte Sean fast ebenso sehr wie das beiläufige »mein Junge«. Der Zeitsprung hatte zwar den Altersunterschied zwischen ihm und Niall verringert, doch trotzdem sah sein Vater viele Jahre älter aus. Es musste an seinen müden Augen und den hängenden Schultern liegen.
    »Ich bin zum Arbeiten hierhergekommen«, antwortete Sean.
    »Aye, das sagt Mum auch.« Der Blick, den Niall ihm zuwarf, war scharf und prüfend. »Aber das stimmt gar nicht, nicht wahr, mein Junge?«
    »Sag du es mir! Du weißt es ja anscheinend.«
    Niall lachte kurz und bitter auf. »Das ist nur zu wahr. Ich hätte es wissen sollen.«
    Diese rätselhafte Antwort hing zwischen ihnen in der Atmosphäre, während Sean sie zu entschlüsseln suchte. »Du sprichst von Nanas Gabe?«, fragte er schließlich.
    Niall warf ihm einen weiteren Seitenblick zu. »Tue ich das? Und was für eine Gabe soll das sein?«
    »Sie ... sieht Dinge.«
    »Ja.«
    »Und sie weiß Dinge, die sie gar nicht wissen dürfte.«
    »Auch das ist wahr. Doch ich meinte nicht Nana, sondern dachte an meine Brigid, möge sie in Frieden ruhen. Sie hatte auch die Gabe, obwohl sie bei ihr mehr ein Fluch als alles andere war. Ich habe oft zu Gott gebetet, mich vor ihr zu retten.« Er blickte an Sean vorbei zu seinem ältesten Sohn. »Hat er dir von seiner Mum erzählt?«
    Sean nickte zögernd. »Es war ein Unfall, sagen die Leute.«
    »Ach, ja?«, fragte Niall mit ungläubig erhobenen Augenbrauen. »Es ist nett von dir zu lügen, aber die Leute sagen keineswegs, dass es ein Unfall war. Sie sagen, ich hätte sie umgebracht.«
    »Und? Haben sie recht damit?«
    »Wir haben uns gegenseitig umgebracht. Sie mich mit ihrem verdammten Wissen und ich sie mit meiner Weigerung, ihr zu glauben. Denn hat sie mir nicht schließlich selbst gesagt, dass du hierherkommen würdest?«
    »Sie hat dir was gesagt?«, rief Sean, von einem weiteren Schock erfasst, der ihn erbeben ließ.
    »Brigid sagte, ich würde das Gefühl haben, dich zu kennen, wenn du kämst. Aber sie konnte mir nicht erklären, warum, verstehst du? Sie konnte immer nur sagen, was sie sah. Nicht, wann es geschehen würde oder wie oder warum. Das konnte einen Heiligen zur Sünde treiben.«
    »Und du bist kein Heiliger.«
    »Nein.«
    Niall griff nach der Thermosflasche und schenkte Tee in einen Plastikbecher. Nachdem er einen Schluck getrunken hatte, reichte er Sean den Becher.
    »Also würdest du mir jetzt vielleicht bitte sagen, was sie mir nicht erklären konnte? Warum bist du hier? Und warum habe ich das Gefühl, dass ich dich kenne?«
    Sean starrte ihn an und wünschte, er hätte eine Antwort für Niall.

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